Gemeinschaftliches Testament: das Ehegattentestament
Ein gemeinschaftliches Testament ermöglicht Ehepaaren und eingetragenen Lebenspartnern eine aufeinander abgestimmte, gemeinsame Nachlassregelung. So kann ein Ehegattentestament dem überlebenden Ehepartner die gewohnten Lebensumstände sichern und gleichzeitig gewährleisten, dass das Familienvermögen später an die Kinder geht. Die gemeinsame Erbregelung als Ehepaar muss allerdings genau durchdacht und auf den individuellen Fall abgestimmt sein, wie Fabian Symann, Fachanwalt für Erbrecht aus München, in diesem Beitrag erläutert.
Das gemeinschaftliche Testament von Ehepaaren stellt besondere Anforderungen
Das Erbrecht ermöglicht Ehepaaren ein gemeinschaftliches Testament. Für viele Ehepaare oder eingetragene Lebenspartner steht die wechselseitige Fürsorge im Zentrum ihrer Verbindung. Deshalb regeln sie auch ihren letzten Willen gemeinsam und abgestimmt aufeinander. Der Tod eines der Partner soll nichts am Einstehen füreinander ändern.
Beim Aufsetzen eines Ehegattentestaments gilt es viele Punkte zu beachten. Schließlich soll es sicherstellen dass der überlebende Partner abgesichert ist und dass die gemeinsamen Vorstellungen von der Weitergabe des Vermögens später einmal umgesetzt werden.
Lassen Sie sich zu Ihrem gemeinschaftlichen Testament von einem versierten Fachanwalt für Erbrecht beraten. Ein Ehegattentestament erfordert Sorgfalt und erbrechtliche Kompetenz.
Ohne Ehegattentestament gilt die gesetzliche Erbfolge
Wenn die Ehepartner kein gültiges Testament und keinen Erbvertrag aufsetzen, um ihren Nachlass zu regeln, gilt die gesetzliche Erbfolge. Sie gewährt dem überlebenden Ehepartner in der Regel nur einen Teil des Nachlasses.
Ohne Testament hängt der Erbteil des Ehepartners davon ab, ob es weitere nahe Angehörige mit gesetzlicher Erbberechtigung gibt. Hinterlässt der verstorbene Partner Abkömmlinge – d. h. Kinder, oder, falls diese gestorben sind, Enkelkinder oder Urenkelkinder? Dann erben sie als Erben erster Ordnung bei gesetzlicher Erbfolge die Hälfte vom Nachlass. Der überlebende Teil des Ehepaars bekommt ein Viertel als gesetzlichen Anteil, dazu bei Zugewinngemeinschaft ein weiteres Viertel als pauschalen Zugewinnausgleich. Im Fall der Gütergemeinschaft erbt der oder die Überlebende nur ein Viertel des gemeinsamen Vermögens. Bei Gütertrennung ist es zwischen der Hälfte und einem Viertel, je nach Anzahl der Kinder.
Hinterlässt der verstorbene Ehepartner keine Erben erster Ordnung, aber seine Eltern, oder wenn diese gestorben sind, Geschwister, oder wenn diese gestorben sind, Neffen oder Nichten? Dann haben diese als gesetzliche Erben zweiter Ordnung im Fall der Zugewinngemeinschaft Anspruch auf ein Viertel des Vermögens. Der überlebende Ehepartner hat Anrecht auf eine Hälfte als Erbteil und bei Zugewinngemeinschaft auf ein weiteres Viertel als Zugewinnausgleich.
Ein Ehegattentestament bietet Verlässlichkeit. Bei gesetzlicher Erbfolge bleibt dem überlebenden Ehepartner meist nur einen Teil des Erbes, und Geburten und Tode verändern die Erbansprüche.
Das Berliner Testament – Einheitsprinzip
Die klassische Variante des Ehegattentestaments ist das Berliner Testament. Es ist nur als gemeinschaftliches Testament von Ehepartnern oder eingetragenen Lebenspartnern möglich, die sich gegenseitig als Alleinerben einsetzen. Beim Tod des ersten Partners erbt zunächst der überlebende Partner das gesamte Vermögen des Anderen. Kinder, Enkel sowie andere Personen oder Einrichtungen erben erst dann, wenn auch der zweite Ehepartner oder Lebenspartner verstirbt. Das Vermögen der beiden Ehepartner verschmilzt beim ersten Erbfall rechtlich zu einer Einheit, deshalb spricht man auch vom Einheitsprinzip oder der Einheitslösung.
Das typische Szenario für ein Berliner Testament ist das eines Ehepaars mit Kindern, das sicherstellen will, dass der überlebende Ehepartner abgesichert ist. Bei dieser Testamentsgestaltung kann er seinen Lebensstandard halten und das gemeinsame Vermögen, etwa eine Immobilie, uneingeschränkt weiter nutzen – schließlich gehört sie ihm ja. Bei gesetzlicher Erbfolge müsste er das Erbe des Verstorbenen mit den Kindern teilen und unter Umständen das Haus oder die Wohnung verkaufen, damit die Miterben im Rahmen der Erbauseinandersetzung ausgezahlt werden können. Das ist beim Berliner Testament ausgeschlossen.
Die Ansprüche von Pflichtteilsberechtigten können durch ein Berliner Testament allerdings nicht ausgeschlossen werden. Die Kinder können also beim Tod des ersten Ehepartners ihren Pflichtteil einfordern.
Außerdem wirft das Ehegattentestament nach Einheitsprinzip unter Umständen noch weitere Probleme auf. Das zeigt sich besonders dann, wenn der überlebende Ehepartner erneut heiratet, oder wenn weitere Kinder von einem anderen Vater oder einer anderen Mutter geboren werden. Das führt zu zusätzlichen Pflichtteilsansprüchen, die berücksichtigt werden müssen, und zu möglichen Anfechtungsgründen. Ein weiterer Punkt ist die besondere Bindung, die ein Berliner Testament entfaltet. Schließlich führt die Alleinerbschaft dazu, dass bei der Erbschaftssteuer nur ein einzelner Freibetrag genutzt werden kann, der des überlebenden Ehegatten.
Ein Berliner Testament kann genau die passende Lösung sein – oder für Probleme sorgen, statt sie zu lösen. Deshalb ist es wichtig, alle möglichen Szenarien vorauszudenken.
Ehegattentestament mit Vor- und Nacherbschaft (Trennungsprinzip)
Der gemeinsame letzte Wille eines Ehepaars kann auch eine Regelung mit Vorerbschaft und Nacherbschaft vorsehen. Der überlebende Partner wird Vorerbe des Vermögens des oder der Verstorbenen, und nach seinem Tod fällt das Vermögen zum Beispiel an die Kinder oder Enkel als Nacherben.
Der Unterschied: Bei dieser Gestaltung werden das eigene Vermögen des überlebenden Ehepartners und das vom zuerst Verstorbenen geerbte Vermögen getrennt behandelt. Deshalb spricht man im Erbrecht vom Trennungsprinzip bzw. einer Trennungslösung. Als Vorerbe hat der überlebende Ehepartner die Pflicht, das ererbte Vermögen des Partners zu erhalten. Er darf ohne gesonderte Befreiung dafür keine zusätzlichen Erben einsetzen und das Vermögen nicht verbrauchen, verpfänden oder verschenken. Dabei steht ihm dessen Nutzung allerdings frei, das gilt für das Bewohnen einer Immobilie ebenso wie für die Verwendung von Zinsgewinnen, Mieteinnahmen oder ähnlichen Erträgen. Damit wird sichergestellt, dass das Vermögen an die im gemeinsamen Testament vorgesehen Nacherben fällt.
Das gemeinschaftliche Testament mit Vor- und Nacherbschaft bietet sich an, um die Weitergabe des Vermögens nach dem Tod des zweiten Partners verlässlich abzusichern.
Die Bindungswirkung beim Ehegattentestament
Grundsätzlich kann ein Erblasser sein Testament jederzeit vernichten oder durch eine neue Erbregelung ersetzen. Beim Ehegattentestament gelten jedoch Besonderheiten, denn es entfaltet eine besondere Bindungswirkung bei wechselbezüglichen Verfügungen. Darunter versteht man die Festlegungen, die jeder Partner nur deshalb trifft, weil der andere Partner im Gegenzug ebenfalls entsprechende Verfügungen macht. Ein Beispiel ist die wechselseitige Einsetzung als Alleinerbe. Solche Verfügungen lassen sich zwar widerrufen. Dadurch wird die andere Verfügung aber ebenfalls unwirksam. Das besagt § 2270 BGB.
Zu Lebzeiten beider Partner wird ein Ehegattentestament grundsätzlich unwirksam, wenn die Ehe endet. Ansonsten muss der Ehepartner, der sich vom Ehegattentestament lösen will, es durch eine notarielle Erklärung widerrufen. Nach dem Tod eines Partners verstärkt sich die Bindungswirkung, dann wird ein einseitiger Widerruf unmöglich. Selbst wenn es zum Bruch zwischen den überlebenden Partnern und seinen Kindern als Schlusserben kommt, kann er das Testament nicht einfach ändern. Ihm bleiben nur zwei Möglichkeiten: Er kann das Erbe des verstorbenen Partners ausschlagen, oder er kann das gemeinsame Testament anfechten.
Die Anfechtung kommt vor allem bei einer erneuten Heirat in Betracht. Dadurch wird der neue Ehepartner pflichtteilsberechtigt, dies war beim Aufsetzen des Testaments nicht bekannt. Das ist ein Anfechtungsgrund gemäß § 2079 BGB. Nach einer erfolgreichen Anfechtung gilt für den Nachlass des verstorbenen Ehegatten in der Regel die gesetzliche Erbfolge.
Allerdings kann das Ehegattentestament um eine Klausel zum Anfechtungsverzicht erweitert werden. In diesem Fall verzichten beide Ehepartner auf das Selbstanfechtungsrecht in Folge einer erneuten Heirat oder bei Geburt zusätzlicher Kinder.
Die Bindungswirkung des Ehegattentestaments kann für beträchtliche Probleme sorgen. Ein Rechtsanwalt für Erbrecht weiß, wie man sie vermeidet.
Wiederverheiratungsklausel
Die Bindungswirkung eines Ehegattentestaments wird regelmäßig zum Problem, wenn der überlebende Ehepartner später erneut heiratet. Eine Wiederverheiratungsklausel kann dafür Vorsorge treffen. Sie enthält besondere Verfügungen für den Fall einer erneuten Ehe. Zum Beispiel kann festgelegt sein, dass die Schlusserben bzw. die Nacherben bei erneuter Heirat des überlebenden Ehepartners ihren Erbanteil oder zumindest einen Teil davon sofort bekommen.
Wiederverheiratungsklauseln lassen sich sehr individuell ausgestalten, so dass sie genau auf den konkreten Fall passen.
Regelungen für die Scheidung
Die Scheidung lässt ein gemeinschaftliches Testament grundsätzlich bedeutungslos werden, es verliert seine rechtliche Wirkung. Das Gleiche gilt, wenn die Gründe für eine Scheidung beim Tod eines Partners vorlagen oder dieser bereits die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte.
Allerdings bleiben selbst dann die „Verfügungen insoweit wirksam, als anzunehmen ist, dass sie auch für diesen Fall getroffen sein würden“ (§ 2268 Abs. 2 BGB). Das betrifft häufig Verfügungen für die gemeinsamen Kinder und muss durch Testamentsauslegung festgestellt werden.
Sicherer ist es, wenn das Ehegattentestament von vornherein festlegt, ob bzw. welche der Verfügungen auch im Fall eines Scheiterns der Ehe Bestand haben sollten. So kann man beispielsweise bestimmen, dass Erbregelungen für Kinder und Enkel in jedem Fall gelten sollen, auch über eine mögliche Scheidung hinaus.
Gerade ein Ehegattentestament muss für alle Möglichkeiten vorsorgen. Ein erfahrener Fachanwalt für Erbrecht weiß, an was zu denken ist.
Pflichtteilsklausel oder Pflichtteilsstrafklausel
Ein gemeinschaftliches Testament setzt den Pflichtteilsanspruch der Schlusserben oder Nacherben, etwa der gemeinsamen Kinder, nicht außer Kraft. Will ein Kind trotz des Ehegattentestaments nicht bis zum Tod des zweiten Elternteils warten, kann es sofort seinen Pflichtteil am Nachlass des verstorbenen ersten Elternteils einklagen.
Dann kann dazu führen, dass das Ehegattentestament seinen Zweck der Absicherung verfehlt. Ein Beispiel: Das gemeinsame Vermögen der Eltern besteht aus einem Haus. Es sollte nach dem Tod des Vaters zunächst an die Mutter als Alleinerbin fallen, damit ihre Wohnmöglichkeit gesichert ist. Weil der Sohn beim Tod des Vaters seinen Pflichtteil verlangt, muss es jedoch verkauft werden, weil die Mutter ihn sonst nicht auszahlen kann.
Eine Pflichtteilsstrafklausel kann ein solches Verhalten zwar nicht verhindern, aber bestrafen. Sie besagt, dass der Sohn, wenn er den Pflichtteil einklagt, auch nur diesen bekommt. Als Schlusserbe oder Nacherbe wird es dann enterbt.
Auch die Pflichtteilsklausel ist ein Beispiel dafür, dass das Erbrecht Lösungen für die ganz konkrete Familiensituation bereithält. Es kommt darauf an, diese Lösungen auch anzuwenden.