Wie können Erben die Haftung beschränken oder ausschließen?
Erben haften für die Nachlassverbindlichkeiten, von Hypothekenraten über Pflichtteilsansprüche bis zu Kosten, die im Rahmen der Nachlassverwaltung entstehen. Die Haftung kann auch das Eigenvermögen betreffen, so dass die Erben im schlimmsten Fall draufzahlen, statt durch die Erbschaft etwas zu gewinnen. Zum Glück gibt es Möglichkeiten zur Haftungsbeschränkung, die Erben nutzen können. Als Fachanwalt für Erbrecht weiß Fabian Symann, LL.M. aus München, worauf es dabei ankommt.
Erben haften für Nachlassverbindlichkeiten
„Der Erbe haftet für die Nachlassverbindlichkeiten“ besagt § 1967 BGB kurz und bündig. In diesem Satz steckt Zündstoff. Diese Haftung ist zunächst einmal nicht auf das Nachlassvermögen beschränkt. Deshalb können Erben unter Umständen durch die Erbschaft Geld verlieren, statt etwas dazuzugewinnen – im schlimmsten Fall ihr gesamten eigenes Vermögen.
Es gibt verschiedene Arten von Nachlassverbindlichkeit:
- Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören „die vom Erblasser herrührenden Schulden“. Unter diese Erblasserschulden fällt beispielsweise eine Hypothek, die auf dem geerbten Grundstück lastet, und die unbezahlten Rechnungen, die der Verstorbene hinterlässt.
- Außerdem gehören dazu Verbindlichkeiten, die durch den Erbfall selbst entstehen. Solche Erbfallverbindlichkeiten können die Kosten sein, die die Suche nach einem Miterben verursacht, oder die Vergütung für einen vom Erblasser eingesetzten Testamentsvollstrecker.
- Manche Verbindlichkeiten entstehen durch die Entscheidungen, die der Erbe oder die Erben zur Form der Nachlassabwicklung treffen. Ein Beispiel für solche Nachlasskostenschulden ist das Honorar, das ein von den Erben eingesetzter Nachlassverwalter erhält.
- Schließlich gibt es auch Verbindlichkeiten aus der Verwaltung des Nachlasses: solche Nachlasserbenschulden entstehen zum Beispiel, wenn die Erbengemeinschaft das gemeinsam geerbte Haus instand setzen lässt, um es anschließend zu verkaufen und den Erlös aufzuteilen.
Ein überschuldeter Nachlass kann Sie als Erbe viel Geld kosten.
Auf den Nachlass beschränkte oder unbeschränkte Erbenhaftung?
Für eine Verbindlichkeit haften bedeutet: man ist verpflichtet, die entsprechende Forderung zu begleichen. Verweigert oder versäumt man die Zahlung, können die Gläubiger einen Titel erwirken und für Zwangsvollstreckung sorgen, also Vermögenswerte und Geldbeträge pfänden lassen.
Bei der Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten stellt sich immer die Frage, wie weit die Haftung reicht: müssen die Erben nur das Nachlassvermögen zur Bezahlung aufwenden, oder darüber hinaus ihr gesamtes Vermögen, wenn der Nachlass für die Forderung nicht ausreicht?
- Grundsätzlich besteht eine unbeschränkte Erbenhaftung für Nachlassverbindlichkeiten: die Erben müssen ihr Eigenvermögen zum Begleichen der Nachlassschulden aufwenden, wenn das Nachlassvermögen dafür nicht ausreicht. Im schlimmsten Fall kann die unbeschränkte Erbenhaftung die Erben ruinieren.
- Allerdings können Erben die Haftung auf den Nachlass beschränken: dann müssen sie nur das Nachlassvermögen zur Begleichung einer Forderung verwenden. Die Haftungsbeschränkung erfordert, dass die Erben aktiv werden. Es gibt dafür verschiedene Möglichkeiten, deren Wirkung sich unterscheidet und die unterschiedliche Voraussetzungen haben. Die Beschränkung der Haftung kann unbefristet oder befristet sein, gegenüber einzelnen Gläubigern gelten oder sich auf alle Verbindlichkeiten erstrecken.
- Ein Mittel zur Haftungsbeschränkung ist ein Antrag auf Nachlassverwaltung beim zuständigen Nachlassgericht. Voraussetzung ist ein ausreichendes Nachlassvermögen. Dann wird ein Nachlassverwalter eingesetzt, der den Nachlass erfasst und verwaltet, die Forderungen begleicht und das verbleibende Vermögen an den oder die Erben auskehrt. Die Nachlassverwaltung führt dazu, dass die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf das Nachlassvermögen beschränkt werden. Die Kosten der Nachlassverwaltung tragen die Erben.
- Ist der Nachlass überschuldet, können Erben ein Nachlassinsolvenzverfahren Dabei übernimmt ein Nachlassinsolvenzverwalter die Verwaltung und soweit möglich die Begleichung der Verbindlichkeiten. Mit Geld oder Vermögen können die Erben bei einer Nachlassinsolvenz zwar nicht mehr rechnen. Aber zumindest ist ihre Haftung beschränkt, sie müssen nicht mehr mit eigenem Vermögen für die geerbten Schulden einstehen.
- Deckt der Nachlass noch nicht einmal die Kosten einer Nachlassverwaltung oder einer Nachlassinsolvenz, gilt er als „dürftig“. In diesem Fall kann die Haftung ebenfalls beschränkt werden: die Erben können durch die sogenannte Dürftigkeitseinrede den Zugriff der Gläubiger auf ihr Eigenvermögen unterbinden.
- Andere Mittel beschränken nicht direkt die Haftung. Sie können jedoch einzelne Nachlassgläubiger daran hindern, ihre Forderungen später zu vollstrecken. Das lässt sich zum Beispiel erreichen, wenn innerhalb eines Jahres ein Aufgebot der Nachlassverbindlichkeiten beantragt wird. Dabei ruft das Nachlassgericht sämtliche Nachlassgläubiger öffentlich auf, ihre Forderungen innerhalb einer bestimmten Frist anzumelden. Bis zum Abschluss dieses Verfahrens können die Erben alle Zahlungen an die Nachlassgläubiger verweigern.
Gläubiger, die die Anmeldung ihrer Forderung zum Aufgebot versäumen, werden ausgeschlossen. Das bedeutet: Stellen sie später Forderungen an die Erben, haften diese nur noch mit dem, was vom Nachlass übrig ist. Zugriff auf das Eigenvermögen des Erben haben ausgeschlossene Gläubiger nicht.
Ein weiterer Vorteil des Aufgebots: die Erben erhalten einen belastbaren Überblick, welche Verbindlichkeiten auf dem Nachlass lasten. Wenn nötig, können sie daraufhin die Nachlassverwaltung beantragen. - Ein weiteres Mittel zum Umgang mit der Erbenhaftung ist die Erstellung eines Inventars. Damit ist ein notariell beglaubigtes Nachlassverzeichnis gemeint, das alle Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten erfasst. So lässt sich beispielsweise später nachweisen, dass ein bestimmter Wertgegenstand, den ein Nachlassgläubiger pfänden möchte, dem Erben schon vor dem Erbfall gehört hat.
- Auch die Gläubiger können ein Inventar beantragen. In diesem Fall setzt das Nachlassgericht den Erben eine Frist zur Mitwirkung durch umfassende Auskünfte. Diese Frist sollten Erben unbedingt einhalten. Genauso wichtig sind korrekte Angaben. Eine versäumte Inventarfrist führt genauso wie „Inventaruntreue“ durch falsche Auskünfte dazu, dass die Erben für Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt und mit ihrem vollen Vermögen haften.
- Wenn Erben dem Risiko unübersichtlicher Nachlassverbindlichkeiten entgehen wollen, können sie ihr Erbe verkaufen. Bis zur Auseinandersetzung kann der Erbteil nur als Ganzes veräußert werden. Damit ist man grundsätzlich auch die Nachlassverbindlichkeiten los. Allerdings wird sich ein Käufer in der Regel ein genaues Bild von Vermögen und Forderungen machen. Außerdem entscheiden die Bedingungen des Verkaufs darüber, wer welche Verbindlichkeiten trägt. Nachlasserbenschulden können trotz Verkauf beim ursprünglichen Erben verbleiben, etwa wenn sie aus pflichtwidrigen Handlungen resultieren.
- Haftungsbefreiend wirkt auch die Ausschlagung: Wer sein Erbe ausschlägt, ist damit komplett aus dem Spiel und frei von jeder Erbenhaftung für die Nachlassverbindlichkeiten.
Erbrechtliche Haftung ist komplex und einzelfallabhängig. Haben Sie einen unübersichtlichen Nachlass mit unklaren Forderungen geerbt? Fachanwalt Symann, LL.M. weiß, was zu tun ist.
Beispiele: wofür Erben haften
- Ein klassischer Fall von Erblasserschulden sind die Zinsen und Tilgungsraten einer Hypothek, die auf der geerbten Immobilie lastet.
- Läuft ein immobilienrechtlicher Prozess gegen die Grundstücksnachbarn? Dann müssen die Erben die noch nicht beglichenen Gerichts- und Anwaltskosten tragen.
- Hat der Erblasser umfangreiche Bauarbeiten veranlasst, die noch nicht bezahlt sind? Auch diese Forderung müssen die Erben des Grundstücks als gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeit übernehmen.
- Wurden Steuern nicht bezahlt? Die Steuerschuld geht auf die Erben über. Das kann bei umfangreicher Steuerhinterziehung zum Problem werden.
- Ist der Erblasser Unterhaltspflichten nicht nachgekommen? Solche Unterhaltsschulden müssen aus dem Nachlass bezahlt werden. Allerdings enden fast alle Unterhaltspflichten mit dem Tod.
- Wurde im Testament der Schwester des Verstorbenen als Vermächtnis ein bestimmtes Kunstwerk hinterlassen? Oder fordert der enterbte Bruder seinen Pflichtteil von den Geschwistern? Der Anspruch auf Herausgabe des Kunstobjekts oder auf Auszahlung des Pflichtteils sind Erbfallverbindlichkeiten, denen die Erben nachkommen müssen.
- Hat die Erbengemeinschaft beschlossen, die gemeinsam geerbte Wohnung umfassend renovieren zu lassen, um sie anschließend zu verkaufen? Die Handwerkerrechnungen sind in der Regel Nachlasserbenschulden. Gleichzeitig sind sie grundsätzlich Eigenschulden der Erben und fallen damit aus einer Beschränkung der Nachlasshaftung heraus.
- Hat der Verstorbene von Sozialhilfe gelebt, aufgrund des Schonvermögens jedoch ein Erbe hinterlassen? Nach dem Tode gibt es kein Schonvermögen mehr, der Sozialhilfeträger kann von den Erben den Ausgleich seiner Leistungen für die letzten zehn Jahre vor dem Erbfall fordern.
- Erben sind für die Bestattungskosten des Erblassers zuständig. Diese Erbfallkosten können ins Gewicht fallen, besonders wenn im Testament die Auflage zu einer bestimmten Grabmalgestaltung festgelegt wurde.
Gerade bei Nachlasserbenschulden kann es zur Haftung mit dem Eigenvermögen kommen. Die Münchner Fachanwaltskanzlei Symann kennt Lösungen, um dieses Haftungsrisiko auszuschließen, zum Beispiel durch eine Vereinbarung zur Haftungsbeschränkung mit Handwerkern und Dienstleistern.
Gesamtschuldnerische Haftung in der Erbengemeinschaft
Wenn mehrere Erben gemeinsam eine Erbschaft antreten, entsteht eine Erbengemeinschaft, bis der Nachlass „auseinandergesetzt“, d. h. auf die einzelnen Erben verteilt wird. Sie hat Auswirkungen auf das Haftungsrisiko der einzelnen Erben, denn für gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten haften Erbengemeinschaften gesamtschuldnerisch. Das legt § 2058 BGB fest.
Das bedeutet: Jeder Nachlassgläubiger kann sich grundsätzlich an jeden der Erben wenden und die Begleichung seiner Forderung aus dem Nachlassvermögen verlangen. Das gilt zum Beispiel für einen enterbten Sohn, dessen drei Schwestern geerbt haben: er kann sich zur Auszahlung des Pflichtteils eine der Schwester aussuchen. Diese muss sich dann das Geld aus dem Nachlass beschaffen. Genauso gut kann der Bruder sich an alle drei Erbinnen wenden.
- Bis zur Auseinandersetzung beziehungsweise Teilung des Erbes kann jedes ihrer Mitglieder verhindern, dass es für seinen Anteil an den Nachlassverbindlichkeiten mit dem Eigenvermögen haftet. Voraussetzung ist, dass es keine unbeschränkte Haftung ausgelöst hat, zum Beispiel durch unrichtige Angaben für ein Inventar (s. o.). Abgesehen davon gilt für den Nachlass auch in dieser Phase die gesamtschuldnerische Haftung.
- Nach der Auseinandersetzung können Erben der gesamtschuldnerischen Haftung nur in drei Fällen entgehen: erstens, wenn ein Aufgebot der Nachlassverbindlichkeiten erstellt wurde und der Gläubiger ausgeschlossen wurde, zweitens, wenn bei Geltendmachung der Forderung mindestens fünf Jahre seit dem Erbfall vergangen sind, oder drittens, wenn ein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wurde.
Dass die gesamtschuldnerische Haftung in der ohnehin oft streitanfälligen Erbengemeinschaft für zusätzliche Konflikte sorgen kann, liegt auf der Hand. Dies ist ein weiterer Grund, im Testament einen Testamentsvollstrecker einzusetzen – dieser prüft dann die Nachlassforderungen, sorgt für ihre Begleichung und bewahrt nach Möglichkeit die Erben vor unbeschränkter Haftung.
Als Teil einer Erbengemeinschaft droht Ihnen die unbeschränkte, gesamtschuldnerische Haftung für Nachlassverbindlichkeiten. Eine Beratung bei Fachanwalt Symann zeigt Ihnen, wo Risiken lauern und welche erbrechtlichen Möglichkeiten Sie haben.