Selbst wenn sie enterbt werden, haben gesetzliche Erben Anspruch auf den Pflichtteil. Diese Grundregel des deutschen Erbrechts gilt in fast allen Fällen. Trotzdem werden den Pflichtteilsberechtigten oft Steine in den Weg gelegt. Der Münchener Rechtsanwalt Fabian Symann, LL.M. ist Fachanwalt für Erbrecht und von der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge (DVEV) als Testamentsvollstrecker zertifiziert. Er erläutert, wie sich Pflichtteilsansprüche durchsetzen lassen.
Trotz Enterbung: Gesetzliche Erben haben Anspruch auf den Pflichtteil
Gesetzliche Erben sind im deutschen Erbrecht privilegiert. Wer etwas zu vererben hat, kann zwar selbst bestimmen, wem er das Vermögen zukommen lassen möchte und wen er enterbt. Doch selbst bei Enterbung können Pflichtteilsberechtigte einen Anteil am Nachlass verlangen – den besagten Pflichtteil (§ 2303 BGB). Er entspricht der Hälfte des Werts, den der gesetzliche Erbteil gehabt hätte.
Es gibt nur ganz wenige Ausnahmen. Der Entzug des Pflichtteils ist auf besonders drastische Fälle beschränkt, etwa ein versuchtes Tötungsdelikt, eine andere schwere Straftat oder die böswillige Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 2333 BGB). In der Praxis spielt der Pflichtteilsentzug deshalb nur selten eine Rolle.
Zu den gesetzlichen Erben, die bei Enterbung pflichtteilsberechtigt sind, gehören Ehepartner, die jeweils nächsten noch lebenden Abkömmlinge wie Kinder, Enkel und Urenkel, und wenn es keine lebenden Abkömmlinge gibt, die Eltern. Die genauen Regelungen sind etwas komplizierter als diese verkürzte Darstellung. Sie werden im Glossarbeitrag Pflichtteilsrecht und Pflichtteilsberechtigte genau beschrieben.
Versuchen die Erben, die Zahlung Ihres Pflichtteils zu vermeiden, zu verzögern oder zu verringern? Fachanwalt Symann weiß, was zu tun ist.
Der Pflichtteilsanspruch
- Der Pflichtteilsanspruch bezieht sich immer auf einen Wertbetrag in Geld. Das gilt selbst dann, wenn der Nachlass aus Wertobjekten wie Schmuck oder Kunstgegenständen, aus Immobilienvermögen oder Unternehmensanteilen besteht. Die Verfügung über die Vermögensgegenstände selbst können Pflichtteilsberechtigte nicht verlangen.
- Fällig wird der Pflichtteilsanspruch, sobald der Erbfall eintritt.
- Sobald Pflichtteilsberechtigte vom Erbfall erfahren, beginnt eine Frist zur Geltendmachung ihres Anspruchs. Der Fristlauf beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem sie Kenntnis erhalten. Wird ihnen der Tod des im Herbst 2024 verstorbenen Erblassers im Februar 2025 bekannt, beginnt die dreijährige Verjährungsfrist mit dem 01. Januar 2026. Am 01. Januar 2029 ist der Pflichtteilsanspruch verjährt.
- Der Anspruch richtet sich gegen die Erben. Diese haben den Pflichtteil im Regelfall auszuzahlen, sobald der Nachlass „auseinandergesetzt“, das heißt an die verschiedenen Erben aufgeteilt wird. Gibt es einen Testamentsvollstrecker, übernimmt er diese Aufgabe.
- Um den Zahlungsanspruch geltend zu machen, müssen sich die Pflichtteilsberechtigten an die Erben wenden. Sie sollten von sich aus aktiv werden oder einen Rechtsanwalt für Erbrecht mit dieser Aufgabe betrauen. Andernfalls droht der Verlust des Pflichtteils. Erben sind nicht dazu verpflichtet, nach Pflichtteilsberechtigten zu suchen und ihnen eigeninitiativ den Pflichtteil auszuzahlen.
- Um den Pflichtteil zu erhalten, sollte der Anspruch gegenüber den Erben schriftlich unter genau bezifferter Angabe des Betrags und mit einer Zahlungsfrist gestellt werden. Aus Sicht der Pflichtteilsberechtigten muss dazu zunächst die Höhe des Anspruchs präzise ermittelt werden.
- Der Pflichtteilsanspruch kann selbst vererbt werden. Man kann ihn auch verkaufen.
Der Pflichtteilsanspruch ist das eine, das Geld bekommen etwas anderes. Der Rat eines erfahrenen Fachanwalts für Erbrecht hilft dabei sehr.
Die Höhe des Pflichtteils ermitteln: Auskunft einfordern, Nachlasswert prüfen
Bevor Pflichtteilsberechtigte ihren Anspruch durchsetzen können, müssen sie zunächst einmal herausfinden, um wie viel Geld es geht: es gilt, die Höhe ihres Anspruchs zu berechnen. Das wiederum setzt voraus, dass sie den Wert des Nachlasses und den Kreis der Erbberechtigten genau kennen. Nur so können sie ihre Pflichtteilsquote bestimmen sowie den Nachlasswert, auf den sich diese Quote bezieht.
Um den Anspruch berechnen zu können, steht Pflichtteilsberechtigten ein Auskunftsrecht zu. In der Regel werden sie die Erben auffordern, ein Nachlassverzeichnis vorzulegen. Das Verzeichnis kann von den Erben selbst, von einem Nachlassverwalter, vom Testamentsvollstrecker oder von einem Notar erstellt werden. Darin werden sämtliche Vermögenswerte und die Verbindlichkeiten, die zum Nachlass gehören, mit genauen Beträgen aufgelistet.
Diese Aufstellung ist von großer Bedeutung, sie liefert die Grundlage für die Berechnung des Pflichtteils. Längst nicht immer reagieren die Erben kooperativ. Ein Streitpunkt ist häufig die Einsichtnahme in Belege und Quittungen, denn das können Pflichtteilberechtigte nur in begrenztem Rahmen verlangen. Wenn die Pflichtteilsberechtigten den Angaben der Erben nicht trauen, können sie auf einem notariellen Nachlassverzeichnis bestehen. Weitere Informationen bietet der Glossarbeitrag „Pflichtteil: Auskunftsanspruch“.
Das Einfordern und Prüfen des Nachlassverzeichnisses ist ein zentraler Schritt auf dem Weg zum Pflichtteil. Fachanwalt Symann weiß aus langjähriger Berufserfahrung, wie man diese Informationen erhält und kontrolliert.
Pflichtteilsergänzungsanspruch: Was ist mit zurückliegenden Schenkungen?
Neben den Nachlasswerten, die beim Tod des Erblassers direkt vorliegen, können auch zu Lebzeiten erfolgte Schenkungen an Dritte in die Pflichtteilsberechnung einfließen. Ihr Wert kann den Pflichtteil erhöhen. Das ist der sogenannte Pflichtteilergänzungsanspruch.
Ein Beispiel: Angenommen, der Vater hat seinen Sohn enterbt und die Tochter als Alleinerbin eingesetzt. Weitere Erben gibt es nicht. In diesem Fall hat der Sohn Anspruch auf den Pflichtteil in Höhe von 25 Prozent des Nachlasswerts. Wenn der Vater kurz vor seinem Tod ein wertvolles Grundstück an die Tochter verschenkt hat, muss dessen Wert dem Nachlass hinzugerechnet werden. Das erhöht den Pflichtteilsanspruch.
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch folgt besonderen Regeln. In vielen Fällen hängt seine Höhe davon ab, wie lange die Schenkung zurückliegt: für jedes seither vergangene Jahr wird ein Zehntel des Schenkungswert von der Anrechnung ausgenommen, so dass nach zehn Jahren nichts mehr zu ergänzen ist. Dieses Abschmelzmodell gilt jedoch nicht immer. So wird bei Schenkungen an Ehegatten oder bei Schenkungen unter Nutzungsvorbehalt unabhängig von der seither vergangenen Zeit der volle Wert ergänzt. In vielen Fällen ist der Wert zum Zeitpunkt des Erbfalls ausschlaggebend, auch das gilt jedoch nicht immer. Verschenkte Geldbeträge etwa werden in der damals verschenkten Höhe angerechnet.
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch führt dazu, dass Pflichtteilsberechtigte auch über frühere Schenkungen Bescheid wissen müssen: über deren damaligen und heutigen Wert, den genauen Termin und die Bedingungen. Lebzeitige Schenkungen des Erblassers sind deshalb im Nachlassverzeichnis aufzuführen. Gerade in diesem Punkt ist dessen Überprüfung besonders wichtig, das zeigt die Praxis immer wieder.
Das Pflichtteilergänzungsrecht ist kompliziertes Gelände. Die Erbrechtskanzlei Symann findet auch dort klare Wege zum Ziel.
Pflichtteilsklage auf Auskunft oder auf Zahlung
Pflichtteilsberechtigte sind darauf angewiesen, dass die Erben oder der Nachlassverwalter beziehungsweise Testamentsvollstrecker ihre Pflicht erfüllen und kooperieren: dass sie Informationen zum Nachlass und zu lebzeitigen Schenkungen liefern und den Pflichtteil in der korrekten Höhe in angemessener Zeit überweisen.
Leider ist das längst nicht immer der Fall. Oft genug ist die Stimmung zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten aufgrund der familiären Gesamtsituation angespannt. Es kann auch passieren, dass die Aussicht, einen Teil vom Nachlass abgeben zu müssen, bei den eingesetzten Erben zu Verweigerung führt. Manchmal lässt sich der Pflichtteil deshalb nur auf dem Klageweg durchsetzen. Dann kommt die Sachkompetenz eines Fachanwalts für Erbrecht zum Tragen.
Die Klage kann auf die Auszahlung des Erbteils gerichtet sein, oder auf die Bereitstellung der Informationen und Unterlagen, die zu dessen Ermittlung notwendig sind. Oft handelt es sich um eine Stufenklage, bei der zunächst auf Auskunft, und nach einem entsprechenden Teilurteil auf Zahlung geklagt wird. Der Gerichtsstand ist in der Regel am letzten Wohnsitz des Erblassers. Ob das Amtsgericht oder das Landgericht zuständig ist, hängt von dem zu erwartenden Betrag ab: ab einem Streitwert von 5.000 Euro wird die Pflichtteilsklage vor dem Landgericht verhandelt.
Ein klar formuliertes anwaltliches Schreiben kann die Gegenseite davon abhalten, den Anspruch zu bestreiten oder die Zahlung zu verzögern. Dann wird ein Rechtsstreit samt unnötigen Kosten und Verzögerungen verhindert.
Stundung der Zahlung des Pflichtteils
Nicht immer ist es böser Wille, der dazu führt, dass der Anspruch auf Auszahlung des Pflichtteils auf Hindernisse stößt. Verzögerungen können auch mit der Art des Nachlasses oder mit der Erbenkonstellation zu tun haben. Wenn der Nachlass aus einer wertvollen Sache wie einem teuren Gemälde oder einer Immobilie in guter Lage besteht und der Erbe oder die Erbengemeinschaft nun entsprechende Pflichtteile auszahlen müssen, dann stehen sie schnell vor einem Liquiditätsproblem. Um die Ansprüche befriedigen zu können, müssen möglicherweise Kredite aufgenommen werden. Oder der Nachlass muss schnell und damit unter Marktwert verkauft werden.
Grundsätzlich ändert das nichts an der Zahlungspflicht der Erben. Es gibt jedoch eine Ausnahme: wenn die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs eine „unbillige Härte“ darstellt, darf der Erbe die Stundung verlangen. Das ist im Gesetz geregelt (§2331a BGB). Das betrifft nicht den Umstand, dass der Erbe mit mehr Zeit einen besseren Verkaufspreis erzielen könnte oder der Immobilienmarkt derzeit unbefriedigend ist. Als Fälle unbilliger Härte nennt der Paragraf den Fall, dass das geerbte Heim der Familie verkauft werden müsste, oder das geerbte Unternehmen, das die berufliche Existenzgrundlage darstellt. Wenn der Erbe die Stundung beansprucht, ohne dass die Voraussetzungen vorliegen, kann der Pflichtteilsberechtigte dies gerichtlich abwehren.
„Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten sind angemessen zu berücksichtigen.“ steht im Gesetz. Fachanwalt Fabian Symann sorgt dafür, dass dies geschieht.
Manchmal sind pragmatische Lösungen die Besten
Gerade in konfliktträchtigen erbrechtlichen Konstellationen lohnt es sich, kühlen Kopf zu bewahren. Ist die Erbengemeinschaft so zerstritten, dass der Auszahlungsanspruch nur durch langwierige Rechtsstreitigkeiten durchgesetzt werden kann, die in keinem Verhältnis zur Höhe des Pflichtteils stehen? Oder ist die juristische Ausgangssituation unsicher? Droht dem Nachlass die Insolvenz oder wird der Erbe trotz Rechtspflicht nicht zahlen können? In solchen Fällen sollte man alternative Vorgehensweisen prüfen.
Vielleicht kann man mit dem oder den Erben eine Stundung vereinbaren, selbst wenn man nicht dazu verpflichtet ist. Das Entgegenkommen lässt man sich durch Zinsen bezahlen. Oder man prüft einen Verkauf des Pflichtteilsanspruchs. Dazu ist man berechtigt. Entscheidend ist immer, welcher Weg das optimale Ergebnis verspricht.
Sie entscheiden, ob solche Wege bei der Durchsetzung des Pflichtteils in Frage kommen. Wenn das der Fall ist, wird die Erbrechtskanzlei Symann Sie auch dabei unterstützen.
Pflichtteil durchsetzen: Gefragt sind erbrechtliche Kompetenz und psychologische Umsicht
Wie immer im Erbrecht geht es auch bei der Durchsetzung des Pflichtteils um zwei Dinge gleichzeitig: um die eigenen Rechte – die Ihr Rechtsanwalt genau kennt – und um angewandte Psychologie. Manchmal führen Fingerspitzengefühl und kluges Herangehen eher zum Erfolg als vorschnelle Konfrontation. In anderen Fällen ist konsequentes Vorgehen gefragt.
Entscheidend ist stets die konkrete Situation: wie ist das Verhältnis zwischen den Beteiligten? Wie verhalten sich die Erben? Um was für Vermögenswerte geht es bei dem Nachlass, und wie leicht wird es, den Pflichtteilsanspruch geltend zu machen? Gemeinsam mit Anwalt Symann finden Sie die richtigen Antworten und den passenden Kurs.
Der erbrechtliche Erfolg erfordert zwei Dinge: genaue Kenntnis der Rechtslage und geschicktes Gespür für Menschen. Fachanwalt Symann bringt für Sie beides zum Einsatz.
Quellen:
- Rose & Partner: Pflichtteil – geltend machen und durchsetzen
- Deutsches Erbenzentrum: Pflichtteilsanspruch
- Advocado: Pflichtteil einfordern – Musterbrief, Muster & Vorlagen
https://www.arbeitsrecht-erbrecht.com/glossar/pflichtteil-2/
https://www.arbeitsrecht-erbrecht.com/glossar/pflichtteil-1/