Scheinselbstständigkeit

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Der Vorwurf der Scheinselbstständigkeit kann den – angeblichen – Arbeitgeber ruinieren: Ihm droht die Nachzahlung sämtlicher Sozialversicherungsbeiträge für bis zu vier Jahre. Dazu kann eine strafrechtliche Verurteilung kommen. Rechtsanwalt Fabian Symann aus München weiß als Fachanwalt für Arbeitsrecht, welche Argumente den Selbstständigen-Status untermauern.

Verdacht auf Scheinselbstständigkeit?

Tritt ein weisungsgebundener, abhängig beschäftigter Arbeitnehmer als selbstständiger Auftragnehmer oder Subunternehmer auf, dann arbeitet er scheinselbstständig. Das Hauptproblem: trotz Sozialversicherungspflicht werden keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Das stellt bei Vorsatz eine Straftat dar („Vorenthalten von Arbeitsentgelt“, § 266a Strafgesetzbuch).

In jedem Fall muss der vermeintliche Auftraggeber die Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen, und zwar sowohl den Arbeitgeber- wie den Arbeitnehmeranteil.

Die Statusentscheidung „scheinselbstständig“ kann teuer werden. Aber vielleicht gibt es gute Argumente gegen die Sozialversicherungspflicht? Im besten Fall schließt man das Risiko aus, bevor ein Prüfer es auf den Tisch bringen kann.

Die Praxis entscheidet, ob Scheinselbstständigkeit vorliegt

Der Begriff „scheinselbstständig“ klingt von vornherein nach krummen Machenschaften. Im konkreten Fall ist die Situation selten so klar. Entscheidend sind stets die gelebten Vertragsbeziehungen. Auch Details können von Bedeutung ein.

Die Praxis ist entscheidend. Das trägt einerseits zur Unsicherheit bei. Andererseits lässt sich immer wieder zeigen, dass die Umstände insgesamt eben doch für eine Selbstständigkeit und gegen ein Arbeitsverhältnis sprechen. Und dann fallen weder Sozialversicherungsbeiträge noch Lohnsteuer an.

Gegenwehr ist ratsam: Längst nicht immer, wenn ein Prüfer der Deutschen Rentenversicherung oder sonst irgendjemand von Scheinselbstständigkeit ausgeht, trifft dieser Vorwurf tatsächlich zu.

Kriterien für Scheinselbstständigkeit

Viele „Checklisten für Scheinselbstständigkeit“ erwecken den Eindruck, bestimmte konkrete Umstände würden über die Scheinselbstständigkeit entscheiden. Das ist falsch. Es geht um das allgemeine Gesamtbild:

  • Kann der Auftragnehmer seine Tätigkeit selbstständig und nach eigenen Vorstellungen planen und ausführen, ohne dass er weisungsgebunden arbeiten muss und seine Arbeitsabläufe kontrolliert werden?
  • Kann er Arbeitszeiten und Arbeitsorganisation frei bestimmen, ohne in die Betriebs- bzw. Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert zu sein?
  • Trägt der Auftragnehmer das wirtschaftliche Risiko seiner Arbeit selbst? Muss er selbst dafür sorgen, dass seine Tätigkeit sich als Angebot am Markt bewährt?

Entscheidend ist, ob die konkreten Umstände in der Gesamtbetrachtung gegen eine persönliche Abhängigkeit des Auftragnehmers sprechen. Die Bezeichnung des Vertrags ist dagegen zweitrangig. Auch ein scheinbarer „Werkvertrag“ kann zu Scheinselbstständigkeit führen.

Was sind praktische Anzeichen für scheinselbstständige bzw. selbstständige Tätigkeiten?

Um die gerade genannten abstrakten Prinzipien zu prüfen, achten die Deutsche Rentenversicherung oder auch die Richter an Arbeitsgerichten und Sozialgerichten auf Punkte wie diese:

  • Gibt es nur einen Auftraggeber oder mehrere?
    Selbstständige sind typischerweise für wechselnde Kunden oder Auftraggeber tätig. Allerdings bestehen große Unterschiede je nach Art der Tätigkeit und den Branchengepflogenheiten. Ein Bauhandwerker, der langfristig nur einen Auftraggeber hat, muss das vermutlich erklären. Dass ein selbstständiger Programmierer zur Umsetzung eines größeren Projekts viele Monate ausschließlich für einen Kunden arbeitet, ist nicht ungewöhnlich.
  • Trägt der Auftragnehmer sein Geschäftsrisiko selbst?
    Wer selbst im Urlaub oder bei Krankheit Geld erhält und keine Angst davor haben muss, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten oder bei Misserfolg der Unternehmung den Auftrag zu verlieren, ist vermutlich scheinselbstständig.
  • Betreibt der Auftragnehmer Akquise, Marketing oder Werbung?
    Selbstständige bemüht sich in der Regel um weitere bzw. neue Kunden. Dazu haben sie zum Beispiel eine Unternehmenswebsite, Visitenkarten, Flyer, Plakaten oder andere Werbemaßnahmen.

Ihr Fehlen wird gern Argument zur Feststellung einer Scheinselbstständigkeit genutzt. Doch das lässt sich im Einzelfall durchaus entkräften. Ein Unternehmer, der bereits durch Mundpropaganda gut ausgebucht ist, fährt seine Akquise-Anstrengungen eher herunter. Das ist betriebswirtschaftlich sinnvoll und für sich genommen kein Beleg für Scheinselbstständigkeit.

  • Wird der Auftragnehmer auf Zuruf tätig? Wer plant die Arbeitszeiten?
    Werden Arbeits- oder Einsatzzeiten fest vorgegeben oder vereinbart? Ist der Auftragnehmer vielleicht sogar permanent auf „Stand-by“?
    In der Regel können Auftraggeber nicht nach Belieben über die Zeit selbstständiger Auftragnehmer verfügen. Das geht nur bei Arbeitnehmern. Allerdings kann es auch in diesem Punkt Ausnahmen geben, etwa wenn sich ein Auftraggeber die Abrufbereitschaft eines Selbstständigen zu bestimmten Zeiten sichert und dafür bezahlt.
  • Hat der Auftragnehmer eigene Arbeitnehmer?
    Wer eigenes Personal beschäftigt, kann zumindest bei dieser Tätigkeit nicht selbst Arbeitnehmer sein. Dieses Indiz ist ein starker Einwand gegen den Vorwurf von Scheinselbstständigkeit.
  • Setzt der Kunde eigene Arbeitnehmer für die gleiche Tätigkeit ein?
    Wenn Arbeiten, die bisher durch eigene Mitarbeiter erledigt wurden, nun an Selbstständige übertragen werden, werden DRV-Prüfer hellhörig. Das gilt ganz besonders dann, wenn die bisherigen Arbeitnehmer nun als Auftragnehmer auftreten. Grundsätzlich ist es aber völlig legitim, dass ein Unternehmen Auftragsspitzen mit Selbstständigen und Honorarkräfte auffängt.
  • Werden Aufträge korrekt und wie im Geschäftsleben üblich abgerechnet?
    Wenn der vermeintliche Auftraggeber für den Auftragnehmer die Buchhaltung mit erledigt, Rechnungen erstellt und Belege bucht, ist das auch mit Blick auf eine mögliche Scheinselbstständigkeit problematisch. Angebote, Rechnungen und Geschäftskorrespondenz sollten den üblichen Gepflogenheiten entsprechen.
  • Wird der Auftragnehmer in Bezug auf Arbeitspläne, Zugangskontrollsysteme und ähnliches so eingebunden wie eigene Mitarbeiter?
    Wenn Auftragnehmer die gleichen Zugangskarten und Login-Daten erhalten wie Arbeitnehmer, wenn sie in Zeit-, Bürobelegungs- und Arbeitsplänen auftauchen und die Kantine und andere Einrichtungen in gleicher Form nutzen, kann das als weitgehende Einbindung in die Betriebsorganisation gewertet werden. Das zählt als Indiz für den Arbeitnehmer-Status. Im Einzelfall kann sich die Einbindung aber aus der Art der Tätigkeit erklären. Der IT-Projektmanager, der bei wechselnden Kunden die Einführung neuer Software-Systeme betreut, braucht dort naturgemäß Kommunikationsmöglichkeiten mit der Belegschaft und einen Arbeitsraum. Trotzdem mutiert er in den drei Monaten beim Kunden nicht zu dessen Arbeitnehmer.
  • Hat der Auftragnehmer eigene Räumlichkeiten? Nutzt er eigene Werkzeuge, Geräte etc.?
    Eigene Gewerberäume, Software-Lizenzen, Maschinen, Fahrzeuge, Geräte etc. sprechen klar gegen ein Schein-Unternehmen. Der umgekehrte Schluss ist dagegen nicht zulässig. Manche Selbstständige nutzen Werkzeug oder Geräte des Auftraggebers, etwa bei einem Wartungsvertrag für Spezialmaschinen. Bestimmte selbstständige Tätigkeiten, etwa im IT-Bereich, erfordern weder ein separates Büro noch Lagerräume oder Werkstätten, sie können bequem von zu Hause aus betrieben werden. Auch hier entscheidet das Gesamtbild, kein Einzelaspekt.
  • Tritt der Auftragnehmer in Berufskleidung des Auftraggebers oder als dessen Repräsentant auf?
    Wenn der Auftragnehmer Firmen- bzw. Berufskleidung des Auftraggebers trägt und von Dritten als dessen Vertreter wahrgenommen wird, ist das eher arbeitnehmertypisch. Aber auch hier spielen Kontext und Umstände eine große Rolle. Bei einer selbstständigen Promoterin ist beides Teil der Auftragserfüllung.

Die Liste lässt sich fortsetzen. Entscheidend ist immer das Gesamtbild im konkreten Fall.

Kommen in Ihrem Fall bedenklich viele Anhaltspunkte für eine scheinselbstständige Tätigkeit zusammen? Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht wie Anwalt Symann weiß, was zu tun ist.

Statusfeststellungsverfahren

Ist der Erwerbsstatus „selbstständig“ oder „sozialversicherungspflichtig beschäftigt“? Zuständig für diese Frage ist gemäß § 7a SGB IV die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung. Sie führt dazu ein Statusfeststellungsverfahren durch. Ein solches Verfahren können alle Beteiligten bei der Clearingstelle beantragen: Auftraggeber, Auftragnehmer und ggf. an dem Auftragsverhältnis beteiligte Dritte.

Die gesetzlichen Vorgaben für die Statusklärung wurden zum April 2022 geändert. Die Klärung kann nun bereits vor Aufnahme der Tätigkeit erfolgen. Außerdem können gleichartige Auftragsverhältnisse durch Prüfung eines einzelnen Falls beurteilt werden.

Das Statusfeststellungsverfahren kann eine verbindliche Bestätigung der Selbstständigkeit liefern. Hat man diesen Status von der Clearingstelle schwarz auf weiß bekräftigt, kann man weiteren Prüfungen und Kontrollen gelassen entgegensehen. Ergibt die Statusfeststellung allerdings eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit, bleibt nur noch der Weg über Einspruch und Klage.
Gehen Sie nicht blind in ein Statusfeststellungsverfahren. Dafür hängt zu viel vom Ergebnis ab. Fachanwalt Symann begleitet Sie bei der Vorbereitung.

Wann verjährt Scheinselbstständigkeit?

Die Frist bis zur Verjährung der Ansprüche auf Sozialversicherungsbeiträge dauert mindestens vier Jahre. Bei vorsätzlicher Nichtabführung der Beiträge verlängert sich die Verjährungsfrist auf dreißig Jahre.

Wenn das Risiko der Scheinselbstständigkeit im Raum steht, wenn eine Prüfung läuft oder bereits ein Bescheid ergangen ist, benötigen Sie rasch kompetente Rechtsberatung.

Sie brauchen Hilfe?

Rechtsanwalt für Arbeitsrecht & Erbrecht Fabian Symann aus München.

Fabian Symann

Fachanwalt Arbeitsrecht und Erbrecht

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