Tarifverträge sind mehr als ein Nachrichtenthema, wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften sich nach langen Verhandlungen endlich einigen. Wenn eine Tarifvereinbarung gilt, wirkt sie sich direkt auf das eigene Arbeitsverhältnis und den eigenen Betrieb aus. Tarifliche Ansprüche können deutlich über Rechte aus dem Arbeitsvertrag oder das vom Gesetz Geforderte hinausgehen.
Bei Konflikten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer spielen Tarifverträge eine wichtige Rolle. Sie gelten nicht nur bei Tarifbindung, sondern können auch allgemeingültig sein und damit gesamte Branchen erfassen. Rechtsanwalt Fabian Symann, Fachanwalt für Arbeitsrecht in München, erläutert die Bedeutung von Tarifverträgen in der Praxis.
Der Geltungsbereich von Tarifverträgen
Ausgehandelt und abgeschlossen wird ein Tarifvertrag zwischen den Gewerkschaften als Arbeitnehmervertretung einerseits und den Arbeitgeberverbänden andererseits. Meist handelt es sich um Flächentarifverträge für ein bestimmtes Tarifgebiet und eine bestimmte Branche oder einen Wirtschaftsbereich. Daneben existieren auch Haustarifverträge, die nur für ein bestimmtes Unternehmen gelten, etwa für VW oder die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG).
Es gibt Rahmentarifverträge, die gemeinsame Grundlagen für die Arbeitsverhältnisse einer ganzen Branche bezwecken. Und es gibt Tarifverträge ausschließlich zu einem bestimmten Thema wie der Berufsausbildung oder zu tariflichen Mindestlöhnen. In jedem Fall haben Tarifverträge einen festgelegten Geltungsbereich und eine Laufzeit. Die Laufzeit ist selten länger als drei Jahre. Kommt keine Folgevereinbarung zustande, kann ihre Wirkung jedoch über den Termin des Auslaufens hinaus anhalten.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten wissen, welche Tarifvereinbarungen für sie gelten. Nur dann ist klar, welche Ansprüche sie vor dem Arbeitsgericht durchsetzen können.
Wann fällt ein Arbeitsverhältnis unter einen bestimmten Tarifvertrag?
Wann gilt ein Tarifvertrag für das Arbeitsverhältnis? Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten:
- Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht Tarifbindung. Voraussetzung dafür ist: Der Arbeitnehmer ist Mitglied in der Gewerkschaft, die den Tarifvertrag abgeschlossen hat, und der Arbeitgeber Mitglied im entsprechenden Arbeitgeberverband.
Ein Beispiel: Der Mitarbeiter ist Mitglied der IG Metall. Der Betrieb seines Arbeitgebers gehört zum bayme, dem Bayerischen Unternehmensverband Metall und Elektro. Damit sind die Tarifverträge und die Tariftabellen der Metall- und Elektroindustrie für Bayern einschlägig. - Der Arbeitsvertrag verweist auf einen Tarifvertrag. Das ist auch dann möglich, wenn der Mitarbeiter kein Gewerkschaftsmitglied ist, und/oder der Arbeitgeber nicht im Arbeitgeberverband. Eine solche Einbindung kann sich als Globalverweisung auf die gesamte Tarifvereinbarung beziehen. Das kann auch dynamisch geschehen, so dass Folge-Tarifverträge für das Arbeitsverhältnis automatisch übernommen werden.
Alternativ ist eine Einzelverweisung möglich, die nur einen Teil des Tarifvertrags in den Arbeitsvertrag einbezieht. Das können beispielsweise nur die Regelungen zur Vergütung oder zu Kündigungsfristen sein. Natürlich muss der Arbeitsvertragstext den Umfang und das Ziel des Verweises klar benennen. - Der Tarifvertrag gilt aufgrund einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung. Dazu müssen die Tarifparteien einen Antrag beim Bundesarbeitsminister stellen. Wird eine Tarifvereinbarung für allgemeinverbindlich erklärt, gilt sie direkt und zwingend für alle Betriebe und Arbeitnehmer, die der Geltungsbereich erfasst.
Bestimmte Tarifverträge werden regelmäßig für allgemeinverbindlich erklärt. Ein Beispiel sind der Bundesrahmentarifvertrag für die Bauwirtschaft (BRTV) und der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV). Aufgrund der Allgemeinverbindlichkeit des VTV ist die SOKA-Bau (tarifliche Sozialkasse des Baugewerbes) für die gesamte Baubranche verbindlich zuständig.
Tarifrecht ist ein eigenes arbeitsrechtliches Teilgebiet von hoher Komplexität. Als Fachanwalt für Arbeitsrecht ist Fabian Symann der richtige Ansprechpartner, wenn es um die Durchsetzung oder Abwehr tariflicher Ansprüche geht.
Lässt sich die Wirksamkeit eines Tarifvertrags für ein konkretes Arbeitsverhältnis beenden?
Ob die Wirkung von Tarifrecht für ein bestimmtes Arbeitsverhältnis aufgehoben werden kann, hängt davon ab, auf welcher Grundlage es gilt.
Wirkt sich die Tarifbestimmung aufgrund eines Verweises im Arbeitsvertrag aus, dann kann die Geltung beendet werden. Schließlich muss dazu nur der Arbeitsvertrag geändert werden, und das ist jederzeit möglich. Voraussetzung ist jedoch, dass der Arbeitnehmer zustimmt – und das dürfte in vielen Fällen nicht in dessen Interesse liegen.
Dagegen gibt es bei Tarifbindung keine Möglichkeit, die Wirkung der Tarifvereinbarungen zu beenden (von Öffnungsklauseln abgesehen). Dies gilt auch für den Fall, dass die Wirkung des Tarifvertrags auf einer Allgemeingültigerklärung beruht.
Die Tarifbindung des Arbeitgebers kann durch einen Austritt aus dem Arbeitgeberverband aufgelöst werden. Allerdings gilt die Bindung an den aktuellen Tarifvertrag auch dann weiter, und zwar mindestens solange, bis dessen Laufzeit endet.
Was gilt bei Abweichungen zwischen Arbeitsvertrag und Tarifvertrag?
In vielen Fällen bestehen Widersprüche zwischen den Regelungen des Tarifvertrags und den Klauseln im Arbeitsvertrag. Dann muss genau geprüft werden, welche der Bestimmungen wirksam ist.
- Grundsätzlich darf der Arbeitsvertrag nur zugunsten des Arbeitnehmers vom Tarifvertrag abweichen. Wenn der Tarifvertrag 30 Urlaubstage pro Jahr vorsieht und der Arbeitsvertrag 32, dann kann der Mitarbeiter die 32 Tage beanspruchen. In diesem Fall gilt das Günstigkeitsprinzip: Der Arbeitnehmer kann die für ihn günstigere Regelung einfordern.
- Außerdem gibt es in Tarifverträgen mitunter Öffnungsklauseln, die ausdrücklich die Anpassung der dortigen Vorgaben durch abweichende Regelungen gestatten. Die Möglichkeit dazu sieht das Tarifvertragsgesetz ausdrücklich vor (§ 4 Abs. 3 TVG). Allerdings ist die Möglichkeit oft an Voraussetzungen geknüpft, z. B. an besondere wirtschaftliche Schwierigkeiten. In der Regel ist die Zustimmung des Betriebsrats nötig. Längst nicht jede Öffnungsklausel ebnet den Weg zu anderslautenden Regelungen im Arbeitsvertrag.
Was gilt, wenn der Arbeitsvertrag und der Tarifvertrag unterschiedliche Regelungen vorsehen? Diese Frage sollte ein Fachanwalt für Arbeitsrecht beantworten. Schließlich hängen davon im konkreten Fall die Pflichten und Ansprüche beider Seiten ab – und ihre Erfolgsaussichten vor dem Arbeitsgericht.
Betriebsvereinbarung und Tarifvertrag
Auch die Regelungen einer Betriebsvereinbarung und die Bestimmungen eines Tarifvertrags können voneinander abweichen.
In diesem Fall gilt jedoch eine andere Situation als bei Diskrepanzen zwischen Arbeitsvertrags- und Tarifvertragsklauseln. Bei abweichenden Betriebsvereinbarungen greift das Günstigkeitsprinzip nicht. Sieht eine Betriebsvereinbarung eine für die Arbeitnehmer vorteilhaftere Regelung vor, gilt trotzdem die tarifvertragliche Bestimmung, wenn der Tarifvertrag anwendbar ist.
Das Betriebsverfassungsgesetz sieht eindeutig vor, dass Vereinbarungen mit dem Betriebsrat Tarifverträge nicht ersetzen können. Zitat: „Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein.“ (§ 77 Abs. 3 BetrVG). Eine Ausnahme ist nur möglich, wenn eine tarifvertragliche Öffnungsklausel solche Betriebsvereinbarungen ausdrücklich gestattet.
Das Tarifrecht schränkt die Möglichkeit zum Abschluss abweichender Betriebsvereinbarungen und damit die Möglichkeiten des Betriebsrats ein. Es überträgt ihm dafür die Aufgabe, die Einhaltung von Tarifverträgen im Betrieb zu überwachen. Selbst einklagen kann er die tarifvertraglichen Ansprüche der Arbeitnehmer jedoch nicht.
Tarifvertragliche Ansprüche: Tipps für Arbeitnehmer
- Ein Tarifvertrag mit all seinen Ansprüchen kann auch dann für Sie gelten, wenn Sie kein Gewerkschaftsmitglied sind.
- Wenn Ihr Arbeitsvertrag vorteilhaftere Regelungen enthält, als der Tarifvertrag, dann gilt in diesem Punkt der Arbeitsvertrag. Ist der Tarifvertrag günstiger, gilt dieser.
- Wenn Sie nicht wissen, ob und welche tarifvertraglichen Rechte Ihnen zustehen, dann kann Fachanwalt Symann das für Sie klären.
- Tarifvertragliche Ansprüche stellen sogenannte individuelle Rechte dar. Das bedeutet, Sie müssen Ihre Ansprüche selbst vor dem Arbeitsgericht durchsetzen. Der Betriebsrat kann und wird das nicht für Sie übernehmen. Helfen kann Ihnen Fachanwalt für Arbeitsrecht Symann.
Geltung von Tarifverträgen: Hinweise für Arbeitgeber
- Die Klärung der Geltung von Tarifverträgen ist keine einfache Aufgabe. Daran können sich komplexe kollektivarbeitsrechtliche Fragestellungen anschließen. Die Beantwortung sollte einem Fachanwalt für Arbeitsrecht anvertraut werden.
- Schließlich ist die Klärung Voraussetzung für wichtige betriebliche Weichenstellungen. Sie bestimmt, welcher Spielraum in Fragen des Personalmanagements zur Verfügung steht. Auch die Personalkostenbelastung hängt davon ab.
- Besonders komplex kann die Frage sein, wie lange ein Tarifvertrag gültig bleibt, wenn er zwar das Ende seiner Laufzeit erreicht hat, jedoch keine Nachfolgevereinbarung abgeschlossen wurde.
- Denken Sie über einen Austritt aus dem Arbeitgeberverband nach? Diesen Schritt sollten Sie erst unternehmen, wenn Sie ausgelotet zu haben, wann Ihre Tarifbindung dadurch konkret endet.
- Selbst wenn der Betrieb nicht (mehr) tarifgebunden ist, dürfen Themen, die üblicherweise in Tarifverträgen geregelt werden, nicht durch Betriebsvereinbarungen festgelegt werden – außer, sie fallen unter die ausdrücklichen Mitbestimmungsrechte gemäß § 87 Betriebsverfassungsgesetz. Was daraus konkret in Ihrem Fall folgt, kann Fabian Symann als Fachanwalt für Arbeitsrecht kompetent beurteilen.