Die Eltern wollen ihren Sohn oder die Tochter im Testament bedenken, aber die sind verschuldet und es droht die Pfändung des geerbten Vermögens? Für solche Fälle gibt es kein Patentrezept. Individuelle Lösungen im Erbrecht machen es aber in vielen Fällen möglich, dass der Erbe trotz Schulden von einer Erbschaft profitiert, ohne dass die Gläubiger Zugriff auf den Nachlass erhalten. Rechtsanwalt Fabian Symann von der Münchner Erbrechtskanzlei Symann Law ist Fachanwalt für Erbrecht und erläutert, wie ein Testament oder der Erbvertrag Vollstreckungsschutz erreichen.
Ohne Vollstreckungsschutz ist das Erbe pfändbar
Ein Verwandter, der überschuldet ist oder aufgrund der Umstände bis zum Erbfall in große Schulden geraten könnte – diese Aussicht hat schon vielen Erblassern große Sorgen bereitet. Schließlich will man vermeiden, dass das eigene Vermögen später einmal fremden Gläubigern zugutekommt, statt in der Familie zu bleiben. Wie eine erbrechtliche Lösung für dieses Problem aussehen kann, hängt stark vom Einzelfall ab. Oft gibt es aber Möglichkeiten.
Das Risiko ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen. Grundsätzlich ist eine Erbschaft zunächst einmal Vermögen. Wenn der Erbe Schulden hat und die Gläubiger einen Titel erwirkt haben, der ihnen die Zwangsvollstreckung ermöglicht, kann dieses Vermögen nach der Erbeinsetzung gepfändet werden. Gleiches gilt für ein Vermächtnis, das direkt an den Erben geht. Gehört der verschuldete Erbe zu einer Erbengemeinschaft, können der Insolvenzverwalter oder ein Gläubiger mit einer titulierten Forderung die Auseinandersetzung des Erbes verlangen. In diesem Fall müssen die anderen Erben den Gläubigern den Erbanteil des Miterben auszahlen, der verschuldet oder in Privatinsolvenz ist. Oft bleibt nur der Verkauf der gemeinsam geerbten Familienimmobilie.
Anordnung der Testamentsvollstreckung ist immer möglich
Erblasser können in ihrer letztwilligen Verfügung eine lebenslange Testamentsvollstreckung anordnen. Damit lässt sich der Nachlass vor Verschwendung bewahren, gleichzeitig besteht Vollstreckungsschutz.
- Der Testamentsvollstrecker gewährleistet, dass die testamentarischen Anordnungen tatsächlich ausgeführt werden. Er kann beispielsweise das Erbe für einen durch Spielsucht gefährdeten Sohn verwalten. Diese Konstruktion stellt sicher, dass der Sohn sein Erbe nicht durchbringt und dabei stets versorgt ist.
- Ein positiver zweiter Effekt: Solange die Testamentsvollstreckung besteht, hat nicht nur der Erbe keinen Zugriff auf den Nachlass. Das Gleiche gilt von Gesetz wegen für dessen Gläubiger (§ 2214 BGB). Eine Zwangsvollstreckung in den vom Testamentsvollstrecker verwalteten Nachlass ist für die Eigengläubiger nicht möglich, solange keine dinglichen Rechte bestehen.
Erb- und Pflichtteilsbeschränkung bei Verschuldung des Erben
- 2338 BGB sieht für Erblasser die Möglichkeit zur Pflichtteilsbeschränkung vor, falls der Abkömmling sich „der Verschwendung ergeben“ hat oder in hohem Maße „überschuldet“ ist. Dabei wird der verschwenderische oder verschuldete Erbe als Vorerbe und seine eigenen gesetzlichen Erben als Nacherben eingesetzt. Nacherben sind damit zum Beispiel die Kinder eines kurz vor der Privatinsolvenz stehenden Sohnes.
Ein Vorerbe darf das, was er geerbt hat, nicht aufbrauchen. Er hat das geerbte Vermögen für die Nacherben zu erhalten. Ein nicht befreiter Vorerbe kann den Nachlass nur verwalten, geerbte Gegenstände oder Immobilien nutzen und die Erträge des Vermögens für sich verwenden. Verkaufen, mit Hypotheken belasten oder auf andere Art verpfänden darf er das Erbe ohne Einwilligung der Nacherben nicht.
Der Vorteil: Ähnliches gilt für die Eigengläubiger des Vorerben. Auch sie erhalten keinen Zugriff auf das Erbe, weil dadurch das Nacherbe geschmälert würde. Die Pfändung von Erbschaftsnutzungen, d. h. des Ertrags aus dem Vorerbe, ist durch § 863 ZPO ebenfalls grundsätzlich untersagt. In der Regel können die Eigengläubiger deshalb auch keine Zinsgewinne, Mieteinnahmen, Dividenden oder Lizenzeinnahmen aus dem Vorerbe pfänden.
Lebenslange Testamentsvollstreckung
Ergänzend oder alternativ zur Pflichtteilsbeschränkung durch Vor- und Nacherbe kann der Erblasser im Testament oder im Erbvertrag festlegen, dass für den überschuldeten oder verschwenderischen Erben eine lebenslange Testamentsvollstreckung gilt (§ 2338 Abs. 1 S. 2 BGB).
Wenn beide Maßnahmen zusammenkommen, wird der Testamentsvollstrecker dem überschuldeten Sohn des Erblassers beispielsweise die jährlichen Erträge des Vermögens zukommen lassen, etwa Zinsen oder Mieteinnahmen. Das Erbe selbst ist dagegen sowohl dem Zugriff des Sohnes wie seiner Eigengläubiger entzogen und geht nach seinem Tod an seine eigenen Erben, zum Beispiel die Enkelkinder.
Vor- und Nachteile der Erb- und Pflichtteilsbeschränkung
Ein Vorteil dieser Form der Beschränkung: Dieser Form von Vollstreckungsschutz für den Nachlass ist vielseitig einsetzbar. Die „Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht“, wie sie auch genannt wird, kann sich auf den Pflichtteil, auf ein Erbe oder ein Vermächtnis erstecken, und sie kann sowohl per Testament verfügt wie in einem Erbvertrag vereinbart werden.
Allerdings müssen die Überschuldung oder ein Hang zur Verschwendung dafür den „späteren Erwerb“ des Nachlasses bereits zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments gefährden. Die Gründe für die Beschränkung sollten im Testament oder durch beigefügte Dokumente nachvollziehbar und umfassend dokumentiert werden. Andernfalls hat der Erbe eine Grundlage, um später vor dem Nachlassgericht gegen die Einschränkungen vorzugehen. Sollte die Erb- oder Pflichtteilsbeschränkung nach einer Klage fallen, stehen das Erbe oder der Pflichtteil für eine mögliche Zwangsvollstreckung durch Gläubiger offen.
Nutzungs- oder Wohnrecht als Vermächtnis
Eine weitere Gestaltungsvariante, die eine Zuwendung an ein stark verschuldetes Kind oder Enkelkind ermöglicht, ist die Zuwendung eines Wohnrechts oder Nutzungsrechts im Wege des Vermächtnisses.
Durch ein Vermächtnis wird ein Vermögen, Vorteil oder Wertgegenstand aus dem Eigentum des Erblassers vorab aus der Erbmasse ausgesondert und direkt an den Vermächtnisnehmer übertragen. Beim Vermächtnis kann es sich nicht nur um den wertvollen Ring der Großmutter handeln, den diese ihrer Enkeltochter versprochen hat. Wenn das Einkommen der Enkeltochter nach einer missglückten Selbstständigkeit gepfändet wird, kann sie ihr statt des Ringes, der leicht zu pfänden wäre, auch das Wohnrecht in ihrem Haus als Vermächtnis zuwenden. Das Haus selbst können die anderen Enkelkinder erben.
Wichtig ist, dass es sich tatsächlich um ein Wohnrecht und nicht um ein Nießbrauchrecht handelt, das ins Grundbuch einzutragen wäre. Ein Nießbrauchrecht wäre pfändbar: Die Gläubiger können das Recht auf sich übertragen, die Vermietung der Immobilie erzwingen und die Mietzahlung zur Tilgung ihrer Forderungen nutzen. Bei einem reinen Wohnrecht ist das nicht möglich.
Vermächtnis einer laufenden Zuwendung von Geldmitteln
Ein vollstreckungsgeschütztes Vermächtnis ist je nach Einzelfall auch in Form einer laufenden Zuwendung von Geldmitteln möglich. Wenn diese gemäß Anordnung im Testament explizit „auf Grund der Fürsorge und Freigebigkeit“ erfolgt, ist sie zumindest innerhalb der Pfändungsfreigrenzen für die Lohnpfändung vor einer Vollstreckung geschützt (§ 850b Abs. 1 Nr.3 ZPO).
Die radikale Lösung: das überschuldete Kind enterben
Manchmal ziehen Eltern, Großeltern oder andere Erblasser einen klaren Schnitt vor: Der überschuldete Erbe soll gar nichts erben. In diesem Fall ist es entscheidend, ob der überschuldete Erbe mit dieser Aussicht einverstanden ist. Willigt die überschuldete Person ein, stellt ein ausdrücklicher, notariell beglaubigter Verzicht auf Erbe und Pflichtteil sicher, dass nichts in die Hände von Gläubigern fallen kann.
Ohne solche Einwilligung bleibt nur das Enterben. Das Bürgerliche Gesetzbuch gibt in § 1983 BGB jedem Erblasser das Recht, gesetzliche Erben zu enterben. Dabei können Ersatzerben wie die Kinder oder die Ehefrau des überschuldeten Sohnes benannt werden.
Allerdings behält die überschuldete Person ihren Pflichtteilsanspruch. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs. Pflichtteilberechtigte können vor dem Erbfall darauf verzichten. Eine Ausschlagung des Pflichtteils nach dem Erbfall kennt das deutsche Erbrecht dagegen nicht. Selbst wenn der Pflichtteilsberechtigte nach dem Tod des Erbes seinen Pflichtteil nicht einfordert, können Gläubiger durchsetzen, dass dieser Anspruch auf sie übergeht (§ 852 Abs. 1 ZPO).
Soll der Pflichtteil später nicht bei den Gläubigern landen, muss dies also zu Lebzeiten des Erblassers und unter Mitwirkung des betroffenen Erben geregelt werden. Die Hürden für Entziehung des Pflichtteils sind hoch, in der Praxis lässt sie sich nur sehr selten durchsetzen.
Erb- und Pflichtteilsverzicht von Erben mit hohen Schulden
Wenn der überschuldete Erbe in einen Erb- und Pflichtteilsverzicht einwilligt und seinen Erbanspruch, seinen Pflichtteilsanspruch und den Pflichtteilsergänzungsanspruch wirksam aufgibt, bleibt der Nachlass vor dem Zugriff der Gläubiger weitestgehend geschützt.
Eine Anfechtung des Verzichts des Überschuldeten auf sein Erbe samt Pflichtteil durch Gläubiger wäre erfolglos: Da der Pflichtteilsanspruch zum Zeitpunkt des Verzichts noch nicht besteht, kann der Verzicht kein sittenwidriger Vertrag zu Lasten Dritter sein (BGH, 19.01.2011 -IV ZR 7/10).
Genauso wenig ist ein Erb- und Pflichtteilsverzicht ein Verstoß gegen die Auflagen der Wohlverhaltensphase. Die Restschuldbefreiung ist deshalb nicht gefährdet. Der Verzicht ist wie das Ausschlagen einer Erbschaft während des Insolvenzverfahrens eine ganz persönliche Entscheidung des Schuldners. Der Insolvenzverwalter hat keinen Einfluss darauf (§ 83 Abs. 1 InsO), eine Insolvenzanfechtung ist nicht möglich.
Sollten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des überschuldeten Erben später wieder bessern, lässt sich der Erb- und Pflichtteilsverzicht in beiderseitigem Einvernehmen aufheben, solange der Erblasser lebt und geschäftsfähig ist. Als Alternative kann der Pflichtteilsverzicht vertraglich vereinbart und um eine Auflösungsklausel für den Fall ergänzt werden, dass der Erbe beim Tod des Erblassers schuldenfrei ist. Dann greift der Verzicht nur, wenn er benötigt wird, um den Nachlass vor Gläubigern zu schützen.