Fragen zu Überstunden, Mehrstunden und Mehrarbeit bekommt ein Fachanwalt für Arbeitsrecht häufig gestellt. Müssen Arbeitnehmer Überstunden leisten? Haben sie in jedem Fall Anspruch auf Überstundenvergütung? Was ist mit Überstundenzuschlägen? Muss der Arbeitgeber den Betriebsrat fragen, bevor er Überstunden ansetzt?
Überstunden und Mehrstunden: Begriffe rund um die Arbeitszeit
Das Arbeitsrecht unterscheidet zwischen Überstunden einerseits und Mehrstunden oder Mehrarbeit andererseits.
- Überstunden liegen vor, wenn der Arbeitnehmer mehr arbeitet, als vertraglich an Arbeitszeit vorgesehen ist, und zwar auf Anordnung des Arbeitgebers hin (oder zumindest mit dessen Duldung). Die vertragliche Arbeitszeit kann sich aus dem einzelnen Arbeitsvertrag ergeben, aus einer Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat oder aus einem Tarifvertrag, der für den Betrieb und diesen Arbeitnehmer gilt. Oft genug folgt die geltende Arbeitszeit auch aus einer Kombination der drei Vertragsarten.Nicht nur die Arbeitszeit ergibt sich aus den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Das gilt auch für die Frage, inwieweit Überstunden bezahlt werden müssen und ob zusätzlich ein Überstundenzuschlag anfällt.
- Mehrstunden werden dagegen an den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes bemessen. Das Arbeitszeitgesetz begrenzt die tägliche Arbeitszeit, es gibt Mindestpausen sowie Mindest-Ruhezeiten zwischen zwei Arbeitstagen vor. Dabei gelten besondere Regeln für Nacht- und Schichtarbeit und zur Beschäftigung an Sonntagen und Feiertagen.
Von Mehrarbeit wird außerdem gesprochen, wenn die Arbeitszeitgrenzen eines Tarifvertrags überschritten werden.
Für Arbeitgeber ist es wichtig, Überstundenregelungen rechtssicher zu gestalten. Arbeitnehmer sollten wissen, ob Sie Überstunden oder sogar Mehrstunden leisten müssen und welche Bezahlung sie dafür einfordern können.
Überstunden: Tipps für Arbeitnehmer
- Im Regelfall müssen Überstunden bezahlt werden.
- Ohne Ihre Zustimmung kann Ihr Arbeitgeber nur in ganz besonderen Situationen Überstunden anordnen.
- Allerdings kann es sein, dass Ihr Arbeitsvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag das Überstundenthema wirksam regelt. In diesem Fall sind sie an die Überstundenregelung gebunden.
- Manche Überstundenklauseln sind allerdings zu allgemein – und deshalb unwirksam.
Hinweise zu Überstundenregelungen für Arbeitgeber
- Der Betriebsrat muss der Anordnung von Überstunden zustimmen. Das gilt auch dann, wenn der oder die betroffenen Beschäftigten selbst bereits eingewilligt haben.
- Ohne Tarifvertrag bietet sich eine Überstundenregelung in Form einer Betriebsvereinbarung an, um jederzeit eine klare Abrechnungs- und Entscheidungsgrundlage zu haben.
- Sehr umfassend formulierte Überstundenklauseln im Arbeitsvertrag droht die Unwirksamkeit.
Fabian Symann, Ihr Fachanwalt für Arbeitsrecht aus München, hilft Arbeitgebern wie Arbeitnehmern weiter.
Beispiel: Der Unterschied zwischen Mehrarbeit und Überstunden
Nehmen wir ein Beispiel: Frau Mustermann ist Arbeitnehmerin. Ihre Wochenarbeitszeit beträgt laut Arbeitsvertrag 32 Stunden pro Woche, die an vier Wochentagen abzuleisten ist, mit jeweils acht Stunden pro Tag.
In einer Woche, in der besonders viel zu tun ist, arbeitet sie auf Anordnung des Chefs von Montag bis Freitag acht Stunden lang. Damit hat sie acht Überstunden. Wenn sie statt dessen wie sonst auch von Montag bis Donnerstag arbeitet, aber an jedem Tag neun statt acht Stunden lang arbeiten muss, hat sie in dieser Woche vier Überstunden.
Arbeitet sie von Montag bis Mittwoch je acht Stunden, während am Donnerstag eine 11-Stundenschicht angeordnet wird, weil so viel zu tun ist, dann hat sie nicht nur drei Überstunden, sondern gleichzeitig auch eine Mehrstunde. Das Arbeitszeitgesetz erlaubt außer in Ausnahmefällen nur zehn Arbeitsstunden pro Tag (Die Anordnung des Arbeitgebers war deshalb rechtswidrig).
Gilt im Betrieb von Frau Mustermann ein Tarifvertrag, der die durchschnittliche Wochenarbeitszeit auf 39 Stunden festlegt, dann hat sie in der Woche, in der sie an fünf Tagen je acht Stunden arbeitet, neben den fünf Überstunden auch eine tarifliche Mehrstunde.
Der Unterschied ist wichtig. Für Überstunden gelten andere Regeln als für Mehrarbeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes.
Ist der Arbeitgeber zur Bezahlung von Überstunden verpflichtet? Was gilt für Überstundenzuschläge?
- Es gibt keine gesetzliche Vorgabe, dass Überstunden in jedem Fall bezahlt werden müssen. Der Arbeitsvertrag kann vorsehen, dass eine bestimmte, klar bezifferte Anzahl von Überstunden nicht extra bezahlt wird. Aber: Die Regelung setzt voraus, dass das Entgelt angemessen ist, die Mindestlohnvorschriften nicht verletzt werden und nicht unbegrenzt viele Überstunden als bezahlt gelten. Arbeitsvertragliche Klauseln der Form „Erforderliche (oder sämtliche, anfallende) Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten.“ sind unwirksam.
- Viele Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sehen vor, dass der Arbeitgeber für Überstunden zusätzlich zum regulär darauf anfallenden Entgelt auch Überstundenzuschläge bezahlen muss. Auch der Arbeitsvertrag kann einen solchen Zuschlag vorsehen. Eine allgemeine Pflicht, bei Überstunden mehr zu bezahlen als für die reguläre Arbeitszeit, besteht jedoch nicht.
- Übrigens sind Überstundenzuschläge weder steuerfrei noch sozialversicherungsfrei, anders als Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge.
- Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer Freizeitausgleich statt einer Überstundenvergütung anbieten. Er kann jedoch nicht einseitig entscheiden, dass Überstunden statt durch Bezahlung durch zusätzliche Freizeit ausgeglichen werden. Das ist nur dann anders, wenn vorher eine entsprechende Vereinbarung getroffen wird.
- Unabhängig von der Vergütung von Überstunden muss der Arbeitgeber darauf achten, dass er bei Mehrstunden im Sinne des Arbeitszeitgesetzes den dort vorgegebene Freizeitausgleich gewährt, die Mindest-Ruhezeiten einhält und Überstunden nicht den Einschränkungen von Nacht-, Feiertags- und Sonntagsarbeit zuwiderlaufen.
Arbeitnehmer können ihren Anspruch auf Überstundenvergütung wie alle Lohn- und Gehaltsansprüche vor dem Arbeitsgericht durchsetzen.
Kann der Arbeitgeber Überstunden anordnen, ohne dass der Arbeitnehmer einwilligt?
Ohne Vereinbarung und außerhalb von Notfällen lautet die Antwort: Nein. Die Arbeitszeit ist schließlich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vertraglich vereinbart worden und kann nicht von einer Seite nach Belieben verändert werden – genauso wenig wie die Vergütung dafür. Überstunden erfordern eine Übereinkunft mit dem Arbeitnehmer. Diese kann zum Beispiel aus einer Klausel im Arbeitsvertrag resultieren.
Anders ist das nur „in Notfällen und in außergewöhnlichen Fällen“ – so heißt es wörtlich in § 14 Arbeitszeitgesetz. Gemeint ist beispielsweise eine Überschwemmung, die die Lagerbestände des Unternehmens bedroht, so dass diese schleunigst umgelagert werden müssen. In solchen Fällen darf der Arbeitgeber von den Arbeitnehmern Überstunden und Mehrstunden verlangen, und das sogar an Sonntagen und Feiertagen.
Auch der Ausfall wichtiger Maschinen oder der Verkehrsunfall eines Mitarbeiters, der als einziger anderer Kollege bestimmte Arbeiten ausführen darf, kann dem Arbeitgeber das Recht geben, die Arbeitszeit zu verlängern. Auf einen unerwarteten Großauftrag, der in der regulären Arbeitszeit nicht bearbeitet werden kann, bezieht sich diese gesetzliche Vorschrift dagegen nicht. Diese Möglichkeit zusätzlich anfallender Arbeit hätte der Arbeitgeber voraussehen und sich darauf vorbereiten müssen.
Das Gesetz erlaubt Überschreitungen der gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen zwar auch, wenn „eine verhältnismäßig geringe Zahl von Arbeitnehmern vorübergehend mit Arbeiten beschäftigt wird, deren Nichterledigung das Ergebnis der Arbeiten gefährden oder einen unverhältnismäßigen Schaden zur Folge haben würden.“ Das ist aber kein Freischein, um bei Engpässen oder Großaufträgen einfach die Arbeitszeit hochzufahren. Gemeint sind damit Fälle wie der, dass einige Arbeiter abends die Stuckarbeiten auf der Baustelle beenden müssen, weil sonst der Stuck aushärtet und die Arbeit komplett neu gemacht werden muss. Denkbar wäre auch der Fall, dass IT-Wartungsarbeiten an einem Server sich länger hinziehen als erwartet und abgeschlossen werden müssen, damit die Serverdienste wieder bereitstehen.
Die Arbeitsgerichte neigen nicht dazu, den Begriff der „außergewöhnlichen Fälle“ im Arbeitszeitgesetz weit auszulegen.
Überstundenregelungen als Einzelabsprache, in Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen
Der Arbeitgeber kann – bis auf die geschilderten Ausnahmefälle – den Arbeitnehmer nicht durch bloße Anweisung zu Überstunden zwingen. Aber er kann sich mit ihm auf Überstunden einigen. Eine solche Überstundenklausel kann explizit im Arbeitsvertrag stehen. Die Einigung kann aber auch später und formlos getroffen werden. Das muss nicht schriftlich geschehen. Eine mündliche Vereinbarung genügt.
Allerdings muss der Arbeitgeber auch bei einer Einigung mit dem einzelnen Arbeitnehmer noch die Zustimmung des Betriebsrats einholen, falls ein solcher existiert. Daneben kann sich der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat auf eine generelle Überstundenregelung einigen, die dann in einer Betriebsvereinbarung festgehalten wird. Eine solche Betriebsvereinbarung ist für alle Arbeitnehmer des Betriebs verbindlich.
Schließlich enthalten viele Tarifverträge Überstundenregelungen. Diese sind ebenfalls verbindlich, wenn dieser Tarifvertrag für den Betrieb und das konkrete Arbeitsverhältnis gilt.
Wie viel Spielraum geben Ihnen als Arbeitgeber die einschlägigen Tarifverträge und mögliche Betriebsvereinbarungen? Eine rechtliche Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht sorgt für Klarheit.
Verpflichtungen des Arbeitgebers
In der Regel enthalten Überstundenregelungen in Tarif- und Betriebsvereinbarungen nicht nur Bestimmungen dazu, wie viel an Überstunden in welchem Zeitraum angesetzt werden kann. Sie verpflichten den Arbeitgeber auch, die Überstunden rechtzeitig – zum Beispiel vor Beginn des Monats, indem sie abzuleisten sind – anzukündigen und den Betriebsrat zu informieren.
Auch einzelvertragliche Überstundenklauseln sollten nicht zu einseitig ausfallen. Das gilt ganz besonders dann, wenn eine solche Musterklausel immer wieder, d. h. formularmäßig, in Arbeitsverträgen verwendet wird. Sie zählt dann als AGB-Bestimmung und unterliegt einer besonderen Inhaltskontrolle.
Praktisch bedeutet das: Solche Musterklauseln sind ungültig, wenn sie dem Arbeitgeber einseitig das Recht einräumen, jederzeit in beliebigem Umfang Überstunden anzusetzen, und womöglich von sich aus zu entscheiden, ob er sie bezahlt oder dem Arbeitnehmer stattdessen Freizeitausgleich gewährt.
Überstundenregelungen müssen so gestaltet sein, dass der Arbeitnehmer weiß, aus welchen Gründen und in welchem Umfang Überstunden angesetzt werden können und wie hoch die Vergütung ausfällt. Die Arbeitsrechtskanzlei Symann sorgt für klare, verlässliche Klauseln.