Abfindungen sind häufig das Resultat von betriebsbedingten Kündigungen, Aufhebungsverträgen oder Sozialplänen. Steuerlich sind sie grundsätzlich voll zu versteuern, aber es gibt eine wichtige Vergünstigung: die Fünftelregelung. Dieser Beitrag erklärt verständlich, wann und wie die Tarifermäßigung greift, welche Gestaltungen sinnvoll sind, welche Fallstricke Sie vermeiden sollten und welche gesetzlichen Grundlagen gelten.
Was ist eine Abfindung steuerlich betrachtet?
Eine Abfindung ist in der Regel eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Steuerlich zählt sie zu den außerordentlichen Einkünften. Rechtsgrundlagen sind insbesondere § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG (Entschädigungen) in Verbindung mit § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 EStG (Tarifermäßigung/Fünftelregelung).
Beim Lohnsteuerabzug kann der Arbeitgeber die Fünftelungsmethode bereits berücksichtigen (§ 39b Abs. 3 EStG). Sozialversicherungsbeiträge fallen auf echte Abfindungen nicht an, weil sie kein Arbeitsentgelt sind; maßgeblich ist § 14 SGB IV sowie die dazu ergangene Rechtsprechung. Wichtig im Zusammenhang mit Arbeitslosengeld sind zudem § 158 SGB III (Ruhen des Anspruchs bei Entlassungsentschädigung) und § 159 SGB III (Sperrzeit).
So funktioniert die Fünftelregelung
Die Fünftelregelung glättet die Progressionsspitze, die entsteht, wenn die Abfindung in einem Jahr „zusammengeballt“ zufließt. Rechnerisch wird zunächst ermittelt, wie hoch Ihre Steuer ohne Abfindung wäre. Danach wird so gerechnet, als ob nur ein Fünftel der Abfindung hinzukäme. Die Mehrsteuer hieraus wird verfünffacht. Dadurch fällt regelmäßig weniger Steuer an, als wenn die volle Abfindung in einem Schritt dem zu versteuernden Einkommen zugerechnet würde. Das mindert zugleich Solidaritätszuschlag und, sofern kirchensteuerpflichtig, die Kirchensteuer.
Voraussetzungen für die Tarifermäßigung
Die wichtigste Voraussetzung ist die Zusammenballung der Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum. Die Zahlung muss Entschädigungscharakter haben, also wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen. Typisch sind Sozialplanabfindungen, gerichtliche Vergleiche oder einvernehmliche Aufhebungsverträge. Schädlich wird es, wenn die Abfindung in mehrere Veranlagungszeiträume aufgeteilt wird oder wenn sie lediglich bereits geschuldeten Arbeitslohn ersetzt.
Ebenfalls problematisch ist es, laufenden Lohn „abfindungsähnlich“ umzuwidmen. Keine begünstigten Entschädigungen sind beispielsweise Urlaubsabgeltungen, Tantiemen für bereits erbrachte Leistungen oder Boni ohne echten Entschädigungscharakter. Ob eine Zusammenballung vorliegt, wird im Einzelfall geprüft; sie ist in der Regel gegeben, wenn die Abfindung in einem Jahr zufließt und die im selben Jahr bezogenen laufenden Bezüge deutlich niedriger sind als ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Beispiel: Entlastung durch die Fünftelregelung in der Praxis
Angenommen, eine Arbeitnehmerin hätte ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses 70.000 Euro Bruttoarbeitslohn erzielt. Aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung endet das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni. Sie erhält bis dahin 35.000 Euro laufenden Lohn und einmalig 60.000 Euro Abfindung. Steuerlich würde ohne Fünftelregelung das zu versteuernde Einkommen stark ansteigen, was wegen des progressiven Tarifs zu hoher Mehrsteuer führt.
Mit der Fünftelregelung wird hingegen nur ein Fünftel, also 12.000 Euro, zur Probe hinzugerechnet; aus der hieraus resultierenden Mehrsteuer wird dann die fünffache Entlastung berechnet. Im Ergebnis fällt die Steuer auf die Abfindung deutlich geringer aus als bei voller Zurechnung in einem Schritt. Sie sieht die Entlastung später in der Einkommensteuerveranlagung; der Arbeitgeber kann die Begünstigung schon beim Lohnsteuerabzug berücksichtigen, sofern die Voraussetzungen offenkundig vorliegen.
Beispiel: Gestaltungswirkung des Auszahlungszeitpunkts
Ein Arbeitnehmer mit regulär 80.000 Euro Jahresbrutto vereinbart eine Abfindung von 50.000 Euro. Endet das Arbeitsverhältnis im Oktober und fließt die Abfindung noch im selben Jahr, summieren sich laufender Lohn und Abfindung in einem ohnehin „vollen“ Einkommensjahr.
Kann die Zahlung vertraglich in den Januar des Folgejahres verlagert werden, in dem der Arbeitnehmer zunächst kein neues Einkommen bezieht, entsteht eine stärkere Zusammenballung im neuen Jahr bei gleichzeitig niedrigerem Grundjahreseinkommen. In der Summe fällt die Steuerlast auf die Abfindung regelmäßig geringer aus. Maßgeblich ist das Zuflussprinzip (§ 11 EStG): Es zählt der Zeitpunkt, zu dem das Geld wirtschaftlich zufließt.
Wann die Fünftelregelung nicht oder nur eingeschränkt greift
Die Begünstigung scheidet in der Regel aus, wenn die Abfindung in mehreren Raten über mehr als ein Jahr ausgezahlt wird. Auch eine Kombination aus Abfindung und weiterlaufendem, nur geringfügig reduziertem Gehalt kann die Zusammenballung in Frage stellen.
Vorsicht ist geboten, wenn Zahlungen als „Abfindung“ bezeichnet werden, tatsächlich aber Entgelt für eine mehrjährige Tätigkeit oder Bonuszahlungen darstellen; hier können andere Begünstigungen einschlägig sein (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG), oder es gibt gar keine Tarifermäßigung. Erfolgt die Zahlung nicht als echte Entschädigung für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, entfällt die Begünstigung ebenfalls.
Sozialversicherung, Arbeitsagentur und Nebeneffekte
Abfindungen sind in der Regel nicht sozialversicherungspflichtig, weil sie kein Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV darstellen. Sie erhöhen aber die Bemessungsgrundlage für Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer, da diese an die Einkommensteuer anknüpfen.
Beim Bezug von Arbeitslosengeld kann die Abfindung ein Ruhen des Anspruchs auslösen (§ 158 SGB III), wenn die Kündigungsfristen nicht eingehalten wurden oder eine Entlassungsentschädigung gezahlt wird. Unabhängig davon kann eine Sperrzeit eintreten (§ 159 SGB III), etwa bei eigenem Mitwirken an der Beendigung ohne wichtigen Grund. Diese sozialrechtlichen Folgen sollten bei der Gestaltung mitgedacht werden.
Optimale Gestaltung in der Praxis
Besonders wirksam ist die zeitliche Planung. Es kann sinnvoll sein, die Abfindung in ein Jahr mit voraussichtlich geringem sonstigen Einkommen zu verschieben, um eine möglichst starke Progressionsminderung zu erzielen. Die Auszahlung sollte möglichst in einer Summe erfolgen, damit die Zusammenballung klar erkennbar ist.
Zusätzlich kann es lohnen, den Abfindungsvertrag so zu strukturieren, dass echte Entschädigungsbestandteile von nicht begünstigten Zahlungen getrennt werden. Outplacement-Leistungen, Weiterbildungen oder Rechtsberatung, die der Arbeitgeber direkt übernimmt, sind oft steuerlich günstiger, als wenn die Mittel erst brutto ausgezahlt werden.
Interessant ist in manchen Fällen auch die Nutzung der betrieblichen Altersversorgung. Unter bestimmten Voraussetzungen sind zusätzliche Arbeitgeberbeiträge in eine Direktversicherung, Pensionskasse oder einen Pensionsfonds steuerfrei (§ 3 Nr. 63 EStG).
Gerade bei Beendigungen können einmalige, zusätzliche Beiträge möglich sein; das muss sorgfältig vertraglich gestaltet werden, da „Umwidmungen“ aus einer bereits vereinbarten Abfindung riskant sein können und die Voraussetzungen eng gefasst sind.
Beispiel: Einmalzahlung versus Ratenzahlung
Eine Angestellte erhält laut Aufhebungsvertrag wahlweise 40.000 Euro sofort oder 20.000 Euro in diesem und 20.000 Euro im nächsten Jahr. Steuerlich ist die Einmalzahlung häufig günstiger, weil die Fünftelregelung nur bei der Einmalzahlung voll greift. Die Ratenzahlung würde die Begünstigung in beiden Jahren regelmäßig verhindern oder merklich schwächen, da es an der Zusammenballung fehlt. Zudem gewinnt die Angestellte Planungssicherheit, weil die Steuerwirkung in einem Jahr konzentriert ist und sich besser über den Zeitpunkt der Auszahlung steuern lässt.
Beispiel: Abgrenzung begünstigter und nicht begünstigter Zahlungen
Ein Mitarbeiter erhält zum Ende des Arbeitsverhältnisses 25.000 Euro Abfindung, 5.000 Euro Urlaubsabgeltung und 10.000 Euro Bonus für das abgeschlossene Geschäftsjahr. Nur die 25.000 Euro sind grundsätzlich als Entschädigung begünstigt. Die Urlaubsabgeltung ist normaler Arbeitslohn, der Bonus ebenfalls.
Für die Anwendung der Fünftelregelung ist daher entscheidend, dass die Abfindung separat ausgewiesen und in einem Betrag ausgezahlt wird. Erfolgt eine Vermischung oder werden Teile der Abfindung als Gegenleistung für zukünftige Leistungen vereinbart (etwa Wettbewerbsverbote ohne Entschädigungscharakter), kann die Begünstigung gefährdet sein.
Praktische Durchführung: Lohnsteuerabzug und Veranlagung
Der Arbeitgeber kann die Fünftelregelung schon beim Lohnsteuerabzug berücksichtigen, wenn er erkennt, dass es sich um eine echte Abfindung handelt und die maßgeblichen Voraussetzungen erfüllt sind (§ 39b Abs. 3 EStG). Geschieht das nicht oder bestehen Besonderheiten, wird die Begünstigung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung nachgeholt.
Es empfiehlt sich, den Abfindungsvertrag und eine klare Zahlungsbestätigung aufzubewahren und der Steuererklärung beizufügen. Werbungskosten im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – etwa Rechtsanwaltskosten für die Abwehr der Kündigung oder die Verhandlung des Aufhebungsvertrags – können grundsätzlich als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend gemacht werden.
Wichtige gesetzliche Anknüpfungspunkte im Überblick
- – § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG: Einordnung von Entschädigungen als Einkünfte
- – § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG: Tarifermäßigung/Fünftelregelung für außerordentliche Einkünfte
- – § 39b Abs. 3 EStG: Anwendung der Fünftelregelung im Lohnsteuerabzug
- – § 11 EStG: Zuflussprinzip
- – § 3 Nr. 63 EStG: Steuerfreie Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung
- – § 14 SGB IV: Arbeitsentgeltbegriff (Abfindungen grundsätzlich beitragsfrei)
- – § 158, § 159 SGB III: Ruhenstatbestände und Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld
Fazit
Abfindungen sind steuerpflichtig, aber mit der Fünftelregelung lassen sich spürbare Steuervorteile erzielen. Entscheidend sind der Entschädigungscharakter, der einmalige Zufluss in einem Jahr und eine kluge zeitliche Gestaltung. Prüfen Sie den Auszahlungszeitpunkt, trennen Sie begünstigte von nicht begünstigten Zahlungen, und bedenken Sie sozialversicherungs- und arbeitsförderungsrechtliche Folgen. Da Details oft fallabhängig sind und größere Beträge im Raum stehen, lohnt sich eine frühzeitige Beratung durch einen Steuerberater und gegebenenfalls durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht – idealerweise bevor der Aufhebungsvertrag unterschrieben wird.