Wenn der Chef zum Personalgespräch bittet: Wie Sie sich vorbereiten und warum ein Anwalt helfen kann

Ein Personalgespräch ist selten „nur mal so“. Häufig werden damit Maßnahmen vorbereitet – von der Abmahnung über die Versetzung bis hin zur Trennung. Wer die rechtlichen Leitplanken kennt, psychologische Taktiken erkennt und sich strukturiert vorbereitet, bewahrt Handlungsspielräume. Und wer frühzeitig juristischen Rat einholt, kann Fehler vermeiden, die später teuer werden.

Woran Sie ein kritisches Personalgespräch erkennen – und was rechtlich gilt

Einladungstexte wie „kurzes Feedback“, „dringend“, „bitte heute noch vorbeikommen“ ohne Agenda deuten auf ein steuerndes Gespräch hin. Grundsätzlich darf der Arbeitgeber Sie zu arbeitsbezogenen Gesprächen laden; das Weisungsrecht ergibt sich aus §106 GewO. Sie müssen also in der Regel erscheinen. Zugleich gelten Grenzen: Kündigungen und Aufhebungsverträge sind nur wirksam, wenn sie schriftlich erfolgen (§623 BGB) – mündlicher Druck entfaltet keine unmittelbare Rechtswirkung.

Vorwürfe, die eine fristlose Kündigung tragen sollen, müssen einen „wichtigen Grund“ nach §626 BGB haben; vage Hinweise auf „Vertrauensverlust“ genügen nicht. Nach einer Kündigung müssen Sie sich unverzüglich arbeitsuchend melden (§38 SGB III). Besteht ein Betriebsrat, haben Sie bei bestimmten Gesprächen das Recht, ein Betriebsratsmitglied hinzuzuziehen (§82 Abs. 2 BetrVG); bei Schwerbehinderten kann die Schwerbehindertenvertretung beteiligt werden (§178 SGB IX). Im BEM-Verfahren nach längerer Krankheit ist ein strukturiertes Gespräch gesetzlich verankert (§167 Abs. 2 SGB IX), und Sie dürfen eine Vertrauensperson hinzuziehen.

Einen allgemeinen Anspruch, den eigenen Anwalt mit in jedes interne Gespräch zu bringen, gibt es nicht; der Arbeitgeber kann das ablehnen. Sie dürfen jedoch die Teilnahme verweigern, wenn es ersichtlich nur um eine sofortige Vertragsänderung oder Unterzeichnung geht, und Sie dürfen Beratung und Bedenkzeit verlangen.

Warum Vorbereitung entscheidend ist – taktisch, rechtlich, psychologisch

Die größte Gefahr liegt im Überraschungsmoment. Unter Zeitdruck sagen Beschäftigte häufiger Dinge, die später gegen sie verwendet werden, oder sie unterschreiben Erklärungen, die sie nicht überblicken. Eine klare Gesprächsstrategie hilft: Agenda erfragen, auf Notizen bestehen, keine spontane Unterschrift, keine verbindlichen Schuldeingeständnisse.

Unzulässig ist eine heimliche Tonaufnahme – das kann strafbar sein (§201 StGB). Erlaubt ist eine schriftliche Gedächtnisnotiz oder eine kurze E-Mail im Nachgang, die die eigenen Verständnispunkte zusammenfasst. Bei schwerwiegenden Vorwürfen haben Sie keine Pflicht, sich selbst zu belasten; Sie dürfen Antworten zurückstellen, bis Sie Einsicht in Unterlagen hatten und rechtlicher Rat möglich war. Bei Verdachtsfällen mit möglichem Strafbezug (z. B. Diebstahl, Korruption) ist Zurückhaltung besonders wichtig; unbedachte Aussagen können sowohl arbeits- als auch strafrechtlich nachteilige Folgen haben.

Wie ein Anwalt konkret hilft – weit vor der Kündigung

Frühzeitige Beratung verändert die Dynamik. Ein Anwalt klärt, ob eine verhaltens-, personen- oder betriebsbedingte Trennung überhaupt tragfähig wäre (§1 KSchG im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes) und welche Verteidigungs- oder Verhandlungsoptionen bestehen. Er bereitet Sie inhaltlich vor (Gesprächsleitfaden, „Do’s & Don’ts“), prüft, ob eine Abmahnung rechtlich angreifbar wäre, und ob eine Versetzung zulässig ist.

Er bewertet Sperrzeitrisiken beim Arbeitslosengeld (§159 SGB III) und strukturiert Alternativen: Einhaltung der Kündigungsfrist (§622 BGB), neutraler Beendigungsgrund, Ausgestaltung eines etwaigen Aufhebungsvertrags, Zeugnis nach §109 GewO, Wettbewerbsfragen nach §§74 ff. HGB. In Untersuchungsfällen fordert er Akteneinsicht bzw. konkrete Tatsachen ein, verfasst eine schriftliche Stellungnahme und verhindert vorschnelle Schuldeingeständnisse.

Und wenn ein Aufhebungsvertrag ins Spiel kommt, sorgt er dafür, dass Sie nicht unter Druck unterzeichnen und dass sozialversicherungsrechtliche Fallstricke (Ruhen nach §158 SGB III, Sperrzeit nach §159 SGB III) minimiert werden.

Beispiel: Leistungsgespräch als Vorstufe zur Abmahnung

Eine Marketingmanagerin wird kurzfristig zu einem „Feedbacktermin“ geladen. Im Raum sitzen die Führungskraft und HR; man konfrontiert sie mit pauschalen Vorwürfen, Deadlines seien „häufig gerissen“ worden. Sie bittet um konkrete Beispiele und Unterlagen. Da diese fehlen, erklärt sie, zu den Punkten nach Prüfung Stellung zu nehmen, und übergibt zwei Tage später eine strukturierte Antwort mit Projektplänen und E-Mail-Dokumentation.

Parallel prüft ihr Anwalt, ob eine Abmahnung ohne belastbare Tatsachen angreifbar wäre. Ergebnis: Statt einer formellen Abmahnung vereinbaren die Parteien eine klare Zielplanung mit Ressourcenanpassung. Das Gespräch verfehlt seine Kündigungsvorbereitung; Transparenz und Vorbereitung sichern die Position.

Beispiel: Compliance-Verdacht und die Gefahr des vorschnellen Geständnisses

Ein Techniker wird mit dem Vorwurf konfrontiert, Material für private Zwecke verwendet zu haben. Man spricht von „schweren Konsequenzen“ und bittet um „sofortige Klarstellung“. Der Mitarbeiter verweist höflich darauf, keine Aussage ohne Kenntnis des genauen Sachverhalts zu machen, und verlangt die benannten Belege.

Sein Anwalt prüft, ob ein wichtiger Grund nach §626 BGB tragfähig wäre, und ob Beweise rechtmäßig erhoben wurden (Stichwort: Datenschutz, Verhältnismäßigkeit). In der schriftlichen Stellungnahme wird dargelegt, dass es sich um freigegebene Restposten handelte. Die fristlose Kündigung, die intern diskutiert wurde, unterbleibt; stattdessen wird eine interne Sachstandsnotiz erstellt. Ohne anwaltliche Struktur hätte ein unbedachtes „Es tut mir leid“ den Verdacht zementiert.

Beispiel: BEM-Einladung richtig nutzen statt „Exit-Tür“

Nach mehreren Monaten Krankheit erhält ein Angestellter die Einladung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement. BEM ist kein trojanisches Pferd, aber Arbeitgeber nutzen das Setting mitunter, um Trennungslösungen anzudeuten. Der Beschäftigte stimmt dem BEM ausdrücklich zu, bringt eine Vertrauensperson mit und lässt seine ärztlichen Einschränkungen nur in dem Umfang einfließen, der für Maßnahmen notwendig ist (§167 Abs. 2 SGB IX; Datenschutz beachten).

Gemeinsam werden Homeoffice, technische Hilfsmittel und eine stufenweise Wiedereingliederung geprüft. Parallel bereitet sein Anwalt Argumente gegen eine krankheitsbedingte Kündigung vor und sensibilisiert für die Beweislast. Das BEM wird zur Brücke zurück in den Arbeitsplatz, nicht zur Vorstufe der Kündigung.

Beispiel: Reorganisation – Gespräch als Türöffner zur „einvernehmlichen“ Trennung

In einer Abteilung werden Stellen neu zugeschnitten. Im Personalgespräch signalisiert HR, man „sehe die Zukunft extern“ und bietet ein schnelles „einvernehmliches Paket“ an. Der Mitarbeiter bedankt sich, unterschreibt aber nichts. Er fragt nach der Sozialauswahl und ob ein Interessenausgleich/Sozialplan geplant ist (§§111 ff. BetrVG).

Sein Anwalt klärt, ob das KSchG greift und ob eine betriebsbedingte Kündigung rechtlich tragfähig wäre. In der Folge wird entweder eine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt oder ein Aufhebungsvertrag mit Einhaltung der Kündigungsfrist, sauberem Zeugnis (§109 GewO) und realistischem Abfindungsniveau verhandelt – ohne Sperrzeitrisiko durch übereilte Eigenmitwirkung (§159 SGB III).

Beispiel: Versetzung als Druckmittel

Einer Sachbearbeiterin wird im Gespräch eine kurzfristige Versetzung an einen weit entfernten Standort angekündigt. Sie prüft ihren Arbeitsvertrag und die Grenzen des Direktionsrechts (§106 GewO) sowie die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Versetzungen (§99 BetrVG). Ihr Anwalt macht geltend, dass familiäre Belange, Wegzeiten und die vertragliche Tätigkeitsbeschreibung zu berücksichtigen sind. Statt einer erzwungenen Versetzung wird eine hybride Lösung mit Fahrtkostenzuschuss und zwei Homeoffice-Tagen vereinbart. Die angedeutete „Alternative“ einer Trennung verliert an Zugkraft.

Die wichtigsten Stolpersteine im Gespräch – und die bessere Reaktion

Gefährlich sind spontane Unterschriften unter Gesprächsprotokolle, Selbstverpflichtungen oder Aufhebungsverträge. Widerrufsrechte gibt es in der Regel nicht; nur eine Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung oder Täuschung ist ausnahmsweise möglich (§123 BGB).

Unklare Geständnisse lassen sich später kaum korrigieren. Auch das Versprechen eines „guten Zeugnisses nur bei Unterschrift“ ist als Druckmittel zu erkennen; der Zeugnisanspruch besteht gesetzlich (§109 GewO). Bei Andeutungen einer fristlosen Kündigung sollte stets nach den konkreten Tatsachen gefragt werden; unbegründeter Druck kann die Verhandlungsposition stärken.

Und wenn die Kündigung doch folgt, zählt Geschwindigkeit: Fristen für die Kündigungsschutzklage betragen drei Wochen ab Zugang (§4, §7 KSchG), die Arbeitssuchendmeldung muss unverzüglich erfolgen (§38 SGB III).

So läuft ein gut geführtes Personalgespräch ab – aus Arbeitnehmerperspektive

Sie erscheinen pünktlich, ruhig und vorbereitet. Zu Beginn fragen Sie nach dem konkreten Anlass und notieren die Stichpunkte. Bei Vorwürfen fordern Sie Beispiele, Dokumente und Zeit für Prüfung. Sie geben keine Spekulationen oder Schuldeingeständnisse ab, sondern kündigen eine schriftliche Stellungnahme an.

Ist der Betriebsrat einzubeziehen, bitten Sie darum und vertagen das Gespräch bei Bedarf (§82 Abs. 2 BetrVG). Legt man Ihnen etwas zur Unterschrift vor, nehmen Sie es zur Prüfung mit und verweisen auf die gesetzliche Schriftform und die Notwendigkeit der Beratung (§623 BGB; keine Sofortentscheidung). Nach dem Gespräch senden Sie eine kurze Bestätigung Ihrer Gesprächsverständnisse und vereinbaren einen Folgetermin – dann idealerweise mit anwaltlich abgestimmter Linie.

Warum dieser Ansatz Kündigungen oft verhindert – oder deutlich bessere Ergebnisse bringt

Gespräche sind Knotenpunkte: Hier entscheidet sich, ob die Arbeitgeberseite eine belastbare Basis für Maßnahmen schafft oder ob sich Zweifel an der Wirksamkeit durchziehen. Wer strukturiert agiert, zwingt zu Sorgfalt. Wer rechtliche Anforderungen kennt, nimmt dem Gegenüber den Effekt von Druck und Überraschung.

Und wer einen Anwalt früh einbindet, verlagert das Geschehen vom diffusen Dialog zur überprüfbaren Aktenlage: belastbare Abmahnungen statt pauschaler Vorwürfe, zulässige Versetzungen statt bloßer Drohkulissen, tragfähige betriebsbedingte Szenarien statt „einvernehmlicher“ Schnellschüsse. Im Trennungsfall macht diese Sorgfalt den Unterschied zwischen Sperrzeit und sauberer Lösung, zwischen dürftigem und starkem Zeugnis, zwischen Minimal- und marktgerechter Abfindung.

Dieser Beitrag ersetzt keine Rechtsberatung. Lassen Sie Personalgespräche mit Trennungs- oder Sanktionsbezug, Abmahnungen, Versetzungen und angebotene Aufhebungsverträge frühzeitig individuell durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen. So nutzen Sie Ihre Rechte wirksam und vermeiden kostspielige Fehlentscheidungen.
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Rechtsanwalt für Arbeitsrecht & Erbrecht Fabian Symann aus München.

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Fachanwalt für Arbeitsrecht und Erbrecht sowie Testamentsvollstrecker

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