Wenn Konflikte eskalieren oder Mobbing den Arbeitsalltag vergiftet, folgt nicht selten die „hausgemachte“ Kündigung. Betroffene erleben diese Situationen als unfair und strategisch gesteuert – und oft sind sie es auch. Arbeitsrechtlich gilt: Eine Kündigung wegen interner Spannungen ist nur in engen Grenzen zulässig. Wer früh die richtigen Schritte geht, dreht die Dynamik um, zwingt den Arbeitgeber zu rechtlich sauberen Maßnahmen und schützt die eigene Position.
Was rechtlich zählt – und wo die Grenzen verlaufen
Im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes braucht jede ordentliche Kündigung einen sozial gerechtfertigten Grund (§ 1 KSchG). Bei Konflikten kommen in der Praxis zwei Kategorien in Betracht: die verhaltensbedingte Kündigung, wenn dem Arbeitnehmer nachweisbare Pflichtverletzungen zur Last gelegt werden, und die personenbedingte Kündigung, wenn eine dauerhafte Störung der Eignung behauptet wird.
Für verhaltensbedingte Kündigungen ist regelmäßig eine wirksame Abmahnung erforderlich; erst wiederholte, abgemahnte Verstöße können eine Kündigung tragen. Fehlt es an konkreten, belegbaren Pflichtverletzungen, scheitert die Kündigung. Fristlose Maßnahmen verlangen zudem einen „wichtigen Grund“ (§ 626 BGB), der eine sofortige Trennung rechtfertigt – bloße Unstimmigkeiten genügen nicht.
Konfliktlagen lösen das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht in Luft auf, setzen ihm aber Grenzen. Er darf Inhalt, Ort und Zeit der Tätigkeit bestimmen (§ 106 GewO) und organisatorisch eingreifen, muss dabei jedoch Rücksichtspflichten beachten (§ 241 Abs. 2 BGB) und den Gesundheitsschutz gewährleisten (ArbSchG, etwa § 3 und § 5 zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen).
Wer Mobbing duldet oder Beschwerden ignoriert, verletzt die Fürsorgepflicht. Beschäftigte haben das Recht, sich beim Arbeitgeber zu beschweren (§ 84 BetrVG) und den Betriebsrat einzuschalten (§ 85 BetrVG). Bei Diskriminierung wegen eines verbotenen Merkmals – etwa Geschlecht, Alter, Herkunft – greifen die besonderen Schutzmechanismen des AGG; Belästigung und Mobbing können eine Benachteiligung darstellen (§§ 1, 3, 7 AGG), mit Ansprüchen auf Schadensersatz und Entschädigung (§ 15 AGG) und Beweiserleichterung (§ 22 AGG).
In Betrieben mit Betriebsrat muss dieser vor jeder Kündigung angehört werden (§ 102 BetrVG); unterbleibt die Anhörung, ist die Kündigung unwirksam. Nach längerer Erkrankung – häufige Folge von Mobbing – ist das betriebliche Eingliederungsmanagement wichtig (§ 167 Abs. 2 SGB IX). Und falls eine Kündigung ausgesprochen wird, gilt die dreiwöchige Klagefrist strikt (§§ 4, 7 KSchG).
Taktiken erkennen – und rechtlich neutralisieren
In konfliktgeladenen Teams wird häufig versucht, Betroffene über Gesprächsserien, Dokumentationsoffensiven und „Low-Performer“-Labels zu zermürben. Rechtlich zählt nicht die Etikette, sondern der Nachweis. Pauschale Vorwürfe, vage „Teamstörungen“ oder Schlagworte wie „fehlende Teamfähigkeit“ reichen vor Gericht nicht.
Der Arbeitgeber muss konkretisieren, wann, wo und wie es zu Pflichtverletzungen kam und warum mildere Mittel – Versetzung, Mediation, klare Aufgabenabgrenzung – nicht ausreichen. Gerade hier lassen sich Verteidigungsstrategien aufbauen: Wer sachlich um Konkretisierung bittet, schriftlich Stellung nimmt, Zeugen und E-Mails sichert und den Betriebsrat einschaltet, erhöht die Hürden für eine Kündigung erheblich.
Aufhebungsverträge sind in Konfliktsituationen ein häufig eingesetztes Druckmittel. Sie sind nur wirksam, wenn sie schriftlich geschlossen werden (§ 623 BGB), und sie lassen sich nur ausnahmsweise anfechten, etwa bei widerrechtlicher Drohung (§ 123 BGB). Sozialrechtlich drohen Sperrzeiten beim Arbeitslosengeld (§ 159 SGB III) und Ruhenszeiten bei Abfindungen (§ 158 SGB III). Wer die Unterschrift verweigert, Bedenkzeit verlangt und die sozialversicherungsrechtlichen Folgen prüft, nimmt dem Taktikspiel die Spitze.
Beispiele aus der Praxis – wie Fälle kippen oder entschärft werden
Beispiel 1
In einem Projektteam geraten zwei leitende Mitarbeitende aneinander. Der Arbeitgeber erklärt, die „Chemie stimme nicht“ und kündigt einer der Personen verhaltensbedingt. Im Kündigungsschutzprozess stellt sich heraus, dass es keinerlei einschlägige Abmahnung gab und die Vorwürfe im Kern wertende Allgemeinplätze sind.
Außerdem wurden nie strukturelle Maßnahmen versucht, obwohl der Betriebsrat eine Mediation vorgeschlagen hatte. Das Gericht hält fest, dass soziale Rechtfertigung nach § 1 KSchG fehlt, weil mildere Mittel nicht ausgeschöpft wurden und konkrete Pflichtverletzungen nicht bewiesen sind. Die Kündigung wird aufgehoben; die Parteien einigen sich später auf eine einvernehmliche Versetzung mit klarer Aufgabenbeschreibung.
Beispiel 2
Eine Mitarbeiterin meldet wiederholt, von ihrem Vorgesetzten systematisch ausgegrenzt zu werden: Meetings ohne Einladung, abwertende Bemerkungen vor Dritten, Entzug von Informationen. Sie nutzt das formale Beschwerdeverfahren (§ 84, § 85 BetrVG) und verweist auf die Fürsorgepflicht sowie das AGG, weil sexistische Kommentare gefallen sind (§ 3 Abs. 4 AGG – sexuelle Belästigung).
Der Arbeitgeber reagiert zunächst mit einer Abmahnung gegen sie wegen „illoyalen Verhaltens“. Vor Gericht kippt die Abmahnung, weil die Beschwerde rechtmäßig war und durch die Belege – E-Mail-Threads, Chatverläufe, Zeugen – gestützt wurde. Der Arbeitgeber wird verpflichtet, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, u. a. eine externe Mediation, und der Vorgesetzte erhält eine Abmahnung. Der Versuch, die Beschwerdeführerin als „Störfaktor“ zu labeln, scheitert.
Beispiel 3
Ein Beschäftigter wird in einem eskalierenden Konflikt plötzlich reihenweise wegen Kleinigkeiten abgemahnt: verspätete Mails, angeblich schroffer Ton, ein verpasster Jour fixe. Zeitgleich legt HR einen Aufhebungsvertrag mit kurzer Frist und Abfindung vor. Der Arbeitnehmer unterschreibt nicht, verlangt Einsicht in die Personalakte und legt zu jeder Abmahnung eine schriftliche Gegendarstellung vor.
Sein Anwalt fordert Konkretisierung, zeigt Widersprüche auf und erinnert daran, dass verhaltensbedingte Kündigungen regelmäßig eine vergebliche Abmahnung gleicher Qualität voraussetzen. Gleichzeitig wird der Betriebsrat eingeschaltet. In der Güteverhandlung erkennt der Arbeitgeber, dass die Beweislage dünn ist; man einigt sich auf eine interne Umsetzung und klar definierte Kommunikationsregeln. Die Abmahnserie wird teilweise aus der Akte entfernt – die Kündigungsstrategie verpufft.
Beispiel 4
Eine Führungskraft meldet Compliance-Bedenken zu einer Auftragsvergabe. Kurz danach häufen sich „Kritikgespräche“, man spricht von „Vertrauensverlust“ und bietet einen schnellen Aufhebungsvertrag an. Der zeitliche Zusammenhang ist brisant. Nach dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) ist Repressalie gegen Hinweisgeber unzulässig; auch wenn der Kündigungsschutz sich auf das KSchG stützt, wirkt das Retaliationsverbot als wertende Schranke.
Im Prozess legt die Führungskraft die Meldung und die Reaktionen offen. Die Kündigung wird zurückgenommen, der Arbeitgeber sagt zu, die Meldung unabhängig zu prüfen und die Person vor Benachteiligungen zu schützen.
Beispiel 5
Ein langjähriger Mitarbeiter erkrankt psychisch infolge massiver Teamkonflikte. Der Arbeitgeber kündigt krankheitsbedingt. Im Verfahren wird deutlich, dass kein BEM angeboten wurde (§ 167 Abs. 2 SGB IX) und die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen lückenhaft ist (ArbSchG § 5). Das Gericht sieht die negative Gesundheitsprognose nicht als allein vom Arbeitnehmer zu vertreten und rügt das Unterlassen milderer Mittel. Die Parteien schließen einen Vergleich: stufenweise Wiedereingliederung, Teamwechsel, externe Supervision. Eine vorschnelle Kündigung wäre hier nicht haltbar gewesen.
Was Sie praktisch tun können – ohne in Fallen zu tappen
Die stärkste Verteidigung ist saubere Dokumentation. Halten Sie Vorfälle zeitnah fest, sichern Sie neutrale Belege und benennen Sie Zeugen. Nutzen Sie das formelle Beschwerderecht und beziehen Sie den Betriebsrat ein. Antworten Sie in Personalgesprächen sachlich, verlangen Sie konkrete Beispiele und Zeit für schriftliche Stellungnahmen; unterschreiben Sie nichts spontan.
Wenn Ihnen ein Aufhebungsvertrag vorgelegt wird, prüfen Sie neben der Abfindung auch Kündigungsfristen (§ 622 BGB), Zeugnis (§ 109 GewO), Wettbewerbsverbote (§§ 74 ff. HGB) und vor allem die sozialrechtlichen Folgen (§§ 158, 159 SGB III). Kommt es trotzdem zur Kündigung, reagieren Sie zügig: Die Klagefrist beträgt drei Wochen ab Zugang (§§ 4, 7 KSchG). Bei Schwerbehinderten ist vor jeder Kündigung die Zustimmung des Integrationsamts erforderlich (§ 168 SGB IX); fehlt sie, ist die Kündigung unwirksam.
Warum anwaltliche Begleitung gerade in Konflikt- und Mobbinglagen den Unterschied macht
Konfliktfälle entscheiden sich selten an einem großen Beweis, sondern an vielen kleinen Unstimmigkeiten. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht strukturiert Ihre Darstellung, sortiert, welche Vorwürfe rechtlich relevant sind, und baut eine Gegenchronik. Er fordert Einsicht in die Personalakte, entkräftet Abmahnungen, beantragt betriebliche Maßnahmen, macht AGG-Ansprüche geltend und setzt notfalls einstweiligen Rechtsschutz durch, wenn unzumutbare Eingriffe drohen.
Bei strategischen Trennungen verhandelt er Alternativen: Umsetzung statt Kündigung, Mediation, klare Leistungsziele, oder – wenn die Trennung letztlich sinnvoll ist – einen Aufhebungsvertrag ohne Sperrzeit- und Ruhensfallen, mit ordentlicher Frist, Zeugnis im Wortlaut und ggf. Outplacement. Damit wird aus defensivem Reagieren eine aktive Verteidigungsstrategie.
Fazit
Kündigungen wegen „Konflikten“ oder angeblichem „Teamfit“-Mangel sind rechtlich nur mit Substanz haltbar. Das Arbeitsrecht verlangt konkrete Pflichtverletzungen, ordnungsgemäße Verfahren und den Vorrang milderer Mittel. Das Diskriminierungsrecht schützt vor belästigungsbedingter Benachteiligung; das Arbeitsschutzrecht verpflichtet Arbeitgeber, psychische Belastungen ernsthaft anzugehen. Wer sich früh beschwert, dokumentiert, den Betriebsrat einbindet und anwaltlich strukturiert vorgeht, entzieht strategischen Kündigungen die Grundlage – und verwandelt Taktik in Transparenz. Sollte es doch zur Kündigung kommen, wahren Sie Fristen, sichern Ansprüche und lassen Sie den Fall individuell prüfen.