Vergleich statt Kündigungsschutzklage – wann lohnt sich der Deal mit dem Arbeitgeber?

Viele Beschäftigte stehen nach Erhalt einer Kündigung vor derselben Frage: Lohnt sich der schnelle Vergleich mit dem Arbeitgeber – oder sollte ich Kündigungsschutzklage erheben und auf ein Urteil setzen? Die ehrliche Antwort: Es kommt darauf an. Wer pragmatisch und lösungsorientiert vorgeht, schaut nicht nur auf „Gewinnen oder Verlieren“, sondern auf Zeit, Nerven, finanzielles Gesamtergebnis und Risiken auf dem Weg. Dieser Beitrag ordnet ein, zeigt typische Konstellationen und gibt praxisnahe Beispiele, damit Sie realistisch einschätzen können, wann ein Deal sinnvoll ist – und wann nicht.

Kündigungsschutzklage oder Vergleich: kurz erklärt

Die Kündigungsschutzklage zielt darauf ab, die Unwirksamkeit der Kündigung feststellen zu lassen. Frist: drei Wochen ab Zugang der Kündigung (§ 4 KSchG). Wer die Frist versäumt, riskiert die Fiktion der Wirksamkeit (§ 7 KSchG). In Betrieben mit regelmäßig mehr als zehn Beschäftigten greift das Kündigungsschutzgesetz; eine Kündigung muss sozial gerechtfertigt sein – personen-, verhaltens- oder betriebsbedingt (§ 1 KSchG). Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung anzuhören (§ 102 BetrVG).

Der Vergleich ist die einvernehmliche Beilegung des Rechtsstreits, oft im Gütetermin beim Arbeitsgericht. Praktisch regeln die Parteien Beendigungsdatum, Abfindung, Zeugnis, Freistellung und weitere Punkte. Wichtig ist die Form: Ein gerichtlicher Vergleich im Rahmen einer anhängigen Klage wird sozialversicherungs- und arbeitsförderungsrechtlich anders behandelt als ein rein außergerichtlicher Aufhebungsvertrag. Das kann Sperrzeit- und Ruhensrisiken beim Arbeitslosengeld beeinflussen (§ 159, § 158 SGB III).

Vorteile eines Vergleichs – pragmatisch betrachtet

Ein Vergleich bietet Planbarkeit. Statt monatelanger Ungewissheit steht schnell fest, wann und wie das Arbeitsverhältnis endet und welche Zahlungen noch fließen. Das entlastet psychisch und erleichtert die Jobsuche. Verhandlungen erlauben kreative Lösungen: bezahlte Freistellung zur Stellensuche, Boni- oder Provisionsabrechnung, Abgeltung von Urlaub, Outplacement-Budget, ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis mit konkreter Note, Klärung von Dienstwagen- und IT-Themen, eine saubere Kommunikationslinie nach außen.

Viele Arbeitgeber zahlen eine Abfindung, um das Prozessrisiko zu schließen. Als Faustformel hat sich etwa ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr etabliert. Ein Anspruch hierauf besteht allerdings nicht, außer in engen gesetzlich geregelten Fällen (z. B. § 1a KSchG bei betriebsbedingter Kündigung mit Abfindungsangebot; § 9, § 10 KSchG bei gerichtlicher Auflösung).

Im Hinblick auf das Arbeitslosengeld kann ein gerichtlicher Vergleich gegenüber einem Aufhebungsvertrag Vorteile bieten, weil er nicht per se als „versicherungswidriges Verhalten“ gilt. Gleichwohl kommt es auf Details an: Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist im Vergleich, objektive Kündigungsdrohung, Höhe der Abfindung und die Formulierungen sind relevant. Die Agentur für Arbeit prüft im Einzelfall; pauschale Versprechen wären unseriös.

Nachteile und Risiken – ehrlich benannt

Ein Vergleich bedeutet in aller Regel: Das Arbeitsverhältnis endet. Wer eigentlich weiterbeschäftigt werden möchte und gute Erfolgsaussichten hat, verschenkt unter Umständen eine starke Rechtsposition. Finanziell kann eine Abfindung niedriger ausfallen, als es ein riskanter längerer Prozess mit anschließendem Weiterbeschäftigungsanspruch bewirken würde (Lohnnachzahlung, Beschäftigung).

Zudem ist eine Abfindung steuerpflichtig; eine Milderung über die Fünftelregelung (§ 34 EStG) kann möglich sein, gehört aber in steuerliche Beratung. Weiterhin sind Sperrzeit (§ 159 SGB III) und Ruhenstatbestände (§ 158 SGB III) zu beachten, insbesondere bei außergerichtlichen Aufhebungen oder wenn das Beendigungsdatum vor die ordentliche Kündigungsfrist gelegt wird. Schließlich binden Vertraulichkeits- und Abgeltungsklauseln: Nach Unterzeichnung sind spätere Forderungen häufig ausgeschlossen.

Wann lohnt sich ein Deal – und wann eher nicht?

Ein Vergleich lohnt sich vor allem dann, wenn die Prozessrisiken hoch sind oder die persönliche Zielsetzung klar auf Trennung und Neustart ausgerichtet ist. Typische Konstellationen: Der Kündigungsschutz greift nicht, etwa im Kleinbetrieb mit zehn oder weniger Beschäftigten, oder Sie befinden sich noch in der Probezeit. Auch bei schwacher Beweislage, zum Beispiel nach dokumentierten Pflichtverletzungen und wirksam erteilten Abmahnungen, kann ein schneller, gut verhandelter Vergleich besser sein als ein ungewisser Ausgang nach Monaten.

Betriebsbedingte Kündigungen ohne offensichtliche formelle Fehler – nachvollziehbare unternehmerische Entscheidung, korrekte Sozialauswahl, Betriebsratsanhörung – sind häufige Fälle für pragmatische Vergleiche. Das gilt erst recht, wenn der Arbeitgeber ohnehin bereit ist, eine marktübliche Abfindung zu zahlen und eine ordnungsgemäße Freistellung anzubieten. Auch gesundheitliche Gründe können den Ausschlag geben: Wer den Konflikt nicht über Monate tragen kann oder will, profitiert von einer zügigen, planbaren Lösung.

Eher klagen sollten Sie, wenn Sie einen klaren rechtlichen Hebel sehen und tatsächlich weiterarbeiten möchten: fehlende oder fehlerhafte Betriebsratsanhörung, keine einschlägige Abmahnung vor verhaltensbedingter Kündigung, diskriminierende Motive (AGG), formale Mängel (Frist, Unterschriftsbefugnis).

Starker Sonderkündigungsschutz – z. B. Schwangerschaft und Mutterschutz (§ 17 MuSchG), Schwerbehinderung mit fehlender Zustimmung des Integrationsamts (§ 168 SGB IX), Elternzeit – verbessert die Verhandlungsposition erheblich. Hier kann die Klage die richtige Ausgangsbasis sein, um entweder den Arbeitsplatz zu sichern oder zu deutlich besseren Vergleichskonditionen zu kommen.

Was in den Vergleich gehört – die wichtigsten Stellschrauben

Entscheidend ist, nicht nur auf die Abfindung zu schauen. Ein gutes Paket regelt das Beendigungsdatum unter Beachtung der ordentlichen Kündigungsfrist, die Freistellung (widerruflich oder unwiderruflich mit Fortzahlung), Urlaubs- und Überstundenabgeltung, Bonus- und Provisionsfragen, variable Vergütung, Aktien- oder VSOP-Anrechte, die Rückgabe von Arbeitsmitteln, die Nutzung des Dienstwagens bis zum Ende, die Behandlung von Wettbewerbsverboten und die Form des Zeugnisses.

Ein qualifiziertes, wohlwollendes Zeugnis mit klarer Leistungs- und Verhaltensnote sowie Dankes- und Bedauernsformel ist oft für den nächsten Job wertvoller als ein paar Prozentpunkte mehr Abfindung. Ebenso nützlich: Outplacement-Budget, ein wohlüberlegtes Referenzschreiben, ein neutrales Trennungsstatement für Kunden und Team.

Von großer Bedeutung ist die Form: Wird im laufenden Kündigungsschutzprozess vor Gericht verglichen, lassen sich Sperrzeiträume häufig vermeiden, sofern die Parameter stimmen. Bei außergerichtlichen Aufhebungsverträgen droht schneller eine Sperrzeit; hier sind die von der Rechtsprechung und Praxis anerkannten Bedingungen (u. a. Einhaltung der Kündigungsfrist, objektive Kündigungsdrohung, angemessene Abfindungshöhe) besonders sorgfältig zu gestalten.

Klären Sie zudem, ob eine Transfergesellschaft oder Kurzarbeitshistorie eine Rolle spielen und wie sich das auf Fristen und Ansprüche auswirkt.

Praxisbeispiele aus dem Arbeitsalltag

Beispiel 1

Ein Produktionsleiter in einem Betrieb mit 200 Beschäftigten erhält eine betriebsbedingte Kündigung wegen Standortzusammenlegung. Die Sozialauswahl ist plausibel dokumentiert, der Betriebsrat hat zugestimmt. Der Markt bietet gute Alternativen. Statt sich über Monate zu streiten, einigt er sich im Gütetermin auf die Einhaltung der Kündigungsfrist, sechs Monate bezahlte unwiderrufliche Freistellung, eine Abfindung nach der 0,5-Regel, Auszahlung offener Boni nach Zielanteil und ein sehr gutes Zeugnis. Der schnelle Neustart gelingt – ein pragmatischer Deal.

Beispiel 2

Eine Vertriebsmitarbeiterin erhält eine verhaltensbedingte Kündigung nach zwei Abmahnungen wegen verspäteter Berichte. Die Abmahnungen sind formell korrekt, die Beweislage des Arbeitgebers solide. Die Erfolgsaussichten der Klage sind eher mäßig. Sie entscheidet sich, die Klage fristwahrend einzureichen und im Gütetermin gezielt zu verhandeln: kurze Restlaufzeit, Abfindung knapp unter der 0,5-Faustformel, sofortige Freistellung zur Jobsuche, neutrales Zeugnis. Ergebnis: schneller Abschluss, keine Eskalation mehr.

Beispiel 3

Ein langjähriger IT-Architekt, 56 Jahre alt, erhält betriebsbedingt die Kündigung. Die Sozialauswahl ist angreifbar, weil jüngere, vergleichbare Kollegen gehalten werden. Zusätzlich wurde der Betriebsrat verspätet angehört. Hier lohnt es sich zu klagen. Im Kammertermin – nach Beweisaufnahme – kippt die Erfolgslage zugunsten des Mitarbeiters. Der Vergleich fällt deutlich höher aus als die übliche Faustformel und enthält eine verlängerte Freistellung sowie eine Outplacement-Beratung. Ohne die zunächst erhobene Klage wäre diese Verhandlungsmacht nicht da gewesen.

Taktik und Timing: so gehen Sie vor

Wichtig ist das Zeitfenster. Wer Vergleichsoptionen überhaupt haben möchte, muss die Drei-Wochen-Frist zur Klageerhebung einhalten. Auch wenn Sie einen Vergleich anstreben, kann eine fristwahrende Kündigungsschutzklage sinnvoll sein: Sie schaffen den Rahmen für einen gerichtlichen Vergleich und verbessern Ihre Verhandlungsmacht. Der erste Gerichtstermin (Gütetermin) findet oft innerhalb weniger Wochen statt; dort wird nicht entschieden, sondern ausgelotet, ob eine Einigung möglich ist. Kommt es nicht zur Einigung, folgt später der Kammertermin mit Beweisaufnahme.

Bereiten Sie Verhandlungen inhaltlich vor: Was ist Ihr Minimalziel, was wäre „nice to have“? Welche Nachweise haben Sie zu Zielen, Leistungen, Abmahnungen, Betriebsratsanhörung? Gibt es Marktangebote, die einen schnellen Wechsel attraktiv machen? Wo sind die finanziellen Stellschrauben – Abfindung, Bonus, variable Vergütung, Urlaubsabgeltung – und wo die nicht-monetären – Zeugnis, Freistellung, Referenz, Outplacement?

Halten Sie im Blick, dass in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht jede Partei ihre eigenen Anwaltskosten trägt, unabhängig vom Ausgang (§ 12a ArbGG). Ein langer Streit kostet also Geld und Zeit, selbst wenn man am Ende eine gute Position hat.

Sperrzeit und Ruhen: was realistisch ist

Das Thema Arbeitslosengeld ist komplex. Kurz gesagt: Ein Aufhebungsvertrag kann eine zwölfwöchige Sperrzeit auslösen (§ 159 SGB III), wenn Sie aktiv an der Beendigung mitwirken, ohne wichtigen Grund. Ein gerichtlicher Vergleich im laufenden Kündigungsschutzverfahren ist häufig günstiger, vor allem wenn das Beendigungsdatum nicht vor die ordentliche Kündigungsfrist vorgezogen wird und eine objektive Kündigungsdrohung bestand.

Zudem kann eine Abfindung, die den Ausgleich für den Entfall des Kündigungsschutzes darstellt, unter Umständen zum Ruhen des Anspruchs führen (§ 158 SGB III), was den Leistungsbeginn nach hinten verschiebt. Da die Agentur für Arbeit einzelfallbezogen prüft, sollten Formulierungen und Faktenlage (Kündigungsgrund, Fristen, Höhe) mit anwaltlicher Unterstützung abgestimmt werden.

Realistische Erwartung an die Abfindung

Die vielzitierte 0,5-Faustformel – ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr – ist ein Orientierungswert aus der Praxis, kein Rechtssatz. Je nach Prozessrisiko, Beweislage, Betriebsgröße, besonderem Kündigungsschutz, Dauer der Beschäftigung, Gehaltsstruktur und Verhandlungsgeschick sind Abweichungen nach unten und oben normal.

Bei klaren Arbeitgeberfehlern, hoher Restlaufzeit bis zum Kammertermin und schlechter Arbeitsmarktlage der Arbeitnehmerseite steigen die Vergleichsbeträge tendenziell. Umgekehrt drückt ein Kleinbetrieb oder eine saubere betriebsbedingte Konstellation die Spielräume.

Fazit: Vergleich als Werkzeug – nicht als Dogma

Ein Vergleich ist kein Eingeständnis von Schuld, sondern ein Werkzeug zur Konfliktlösung. Er lohnt sich, wenn er zu Ihren Zielen passt: schneller Abschluss, planbarer Übergang, stimmiges Gesamtpaket aus Geld, Zeit und Reputation. Er lohnt sich weniger, wenn Sie sehr gute Erfolgsaussichten haben und weiterbeschäftigt werden möchten – dann ist die Klage der Hebel, um entweder den Job zu sichern oder eine deutlich bessere Einigung zu erreichen. Wer nüchtern kalkuliert, Fristen einhält, Dokumente sortiert und gezielt verhandelt, trifft eine informierte Entscheidung – und kommt schneller wieder in die Spur. Als sehr hilfreich hat es sich erwiesen, einen Fachanwalt für Arbeitsrecht hinzuzuziehen. Er kann Sie nicht nur rechtlich beraten und vertreten, sondern auch die Höhe der Abfindung mit Ihrem Arbeitgeber aushandeln.

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